WESTAST NEWS
TWANNTUNNEL IM BUNDESHAUS
Nächsten Montag wird Bundesrätin Simonetta Sommaruga im Nationalrat zum Thema Twanntunnel Stellung nehmen: Die beiden Berner Nationalräte Matthias Aebischer (SP) und Jürg Grossen (GLP) haben für die kommende Fragestunde im Parlament ihre Bedenken zum vorliegenden Projekt eingereicht.
Matthias Aebischer stellt in seinem Vorstoss die Grundsatzfrage nach der Nachhaltigkeit der Strassenbaupläne:
Inwiefern rechtfertigt es sich, die Nationalstrasse N5 weiter auszubauen, obwohl diese quer durch eine Landschaft von nationaler Bedeutung (BLNV) und denkmalgeschützte Dörfer gebaut wird?
Wie will der Bundesrat diese schützenswerte Landschaft erhalten und gleichzeitig die Nationalstrasse weiter ausbauen?
Welche Massnahmen plant der Bundesrat, um die Lebensqualität für alle Bewohnerinnen und Bewohner des nördlichen Bielerseeufers sowie die Uferzone in seiner Schönheit zu erhalten?
Jürg Grossen thematisiert den Zusammenhang zwischen der Westast-Diskussion und der Verkehrsplanung in der Region. Sein Vorstoss im Wortlaut:
Der Bund plant den Ausbau der Nationalstrasse entlang des nördlichen Bielerseeufers und treibt den Bau des Twanntunnels weiter voran und damit auch die Enteignung von Wohnhäusern und Reben.
Inwiefern rechtfertigt sich dieses Vorgehen, während gleichzeitig in Biel der Ausbau der gleichen Nationalstrasse sistiert wurde und ein ergebnisoffener Dialogprozess die weiteren Schritte prüfen soll?
Wie verhindert der Bund, dass in Twann Fakten geschaffen werden, die dem Dialog in Biel zu wider laufen?
Man darf gespannt sein, wie Antwort der UVEK-Chefin Simonetta Sommaruga am 16. Dezember lauten wird. Nur drei Tage später, am 19. Dezember, will die soeben gewählte Bundespräsidentin 2020 ja dem Vernehmen nach ihr Präsidialjahr mit einer Feier in der Region Biel einläuten…
DAS WORLD-CAFÉ
UND DER HEISSE BREI
Gleich vorneweg eine positive Feststellung: Am gestrigen Treffen der Dialoggruppe kamen endlich einmal alle Anwesenden zu Wort. An den 15 Tischen, wo jeweils vier bis sechs Leute sassen, wurde eifrig geredet, geschrieben, gezeichnet und geklebt.
Die TeilnehmerInnen sassen zum ersten Mal bunt durcheinander: Behördenmitglieder, BefürworterInnen des Ausführungsprojekts für den A5-Westast sowie die VertreterInnen jener Organisationen, die andere Wege und Lösungen vorschlagen.
Zum Auftakt des World-Café Workshops in der Aula des BBZ Biel stellten die beiden Experten Han van de Wetering und Fritz Kobi kurz ihre aktuellen Studien zu Städtebau und Verkehr in der Region Biel vor, die allen Mitgliedern der Dialoggruppe bereits vorgängig zugeschickt worden waren.
Eigentlich hätten die beiden Inputs bereits genug Diskussionsstoff geboten. Zusätzlich wurde von der Leitung eine A4-Doppelseite mit «Thesen» ausgehändigt, zusammengestellt von Vertretern der Befürworter und Gegner sowie der Experten. Diese sollten als Basis für die Diskussion dienen.
Kommunikationsfachmann Paul Krummenacher vom Büro «Frischer Wind» führte, zusammen mit seiner französischsprachigen Kollegin Patricia Vanaria, souverän durch den Abend.
In drei Runden zu je rund 20 Minuten und in immer wieder neu gemischter Zusammensetzung wurde an den Tischen über das «wie weiter» in Sachen Westast geredet. Die TeilnehmerInnen waren aufgefordert, ihnen wichtige Punkte, die an den jeweiligen Tischen zur Diskussion standen, mit bunten Filzschreibern auf den bereitgelegten «Tischtüchern» festzuhalten.
So füllten sich die weissen Papiere mit Bemerkungen und Sätzen wie «Weidteile entlasten» – «übergeordnete, zukunftsorientierte Lösungen suchen» – «Westast bringt Entlastung der Quartiere» – «ÖV verbessern – Regiotram» – «Tripple A‑Gebiete von Nidau und Biel deblockieren – Enteignungsbann aufheben!» – «Lösungssuche braucht regionalen Betrachtungsperimeter» – «der Westast, ein Geschenk des Bundes, das wir gerne annehmen» – «20’000 Fahrzeuge/Tag: kein Grund, Autobahn zu bauen» etc.
Am Ende der dritten Runde musste jeder Tisch drei Empfehlungen für die künftige Arbeit der Kerngruppe formulieren. Diese wurden anschliessend kurz erläutert und an Pinwänden aufgehängt, so dass sie jeder und jede noch einmal in Ruhe durchlesen konnte.
In einem letzten Schritt waren dann alle TeilnehmerInnen aufgefordert, die vier aus ihrer Sicht wichtigsten Empfehlungen mit einem farbigen Punkt zu markieren. Um Transparenz zu schaffen, wer welche Empfehlungen unterstützt, klebten die Westast-KritikerInnen grüne Punkte, die Behördenmitglieder gelbe und die BefürworterInnen des Ausführungsprojekts blaue – wer sich keiner der Gruppen zugehörig fühlte, markierte mit rot.
Die Auszählung dieser «Abstimmung» ergab klare Präferenzen: Mit 40 Punkten an der Spitze lag die Empfehlung, eine «attraktive Verbindung zum See und nach Nidau» zu schaffen. – Ein Anliegen, das nicht wirklich neu ist, und dem wohl auch niemand widersprechen würde…
An zweiter Stelle, mit 32 Punkten, die Forderung nach einer Verbesserung des ÖVs – auch das ein Postulat, gegen das sich kaum jemand stellen dürfte. Es erhielt vor allem grüne und gelbe Punkte – das heisst, Behördenmitglieder und Westast-GegnerInnen wollen dieses Thema priorisieren.
Breite Unterstützung sowohl von Behörden wie von WestastbefürworterInnen und ‑gegnerInnen erhielt zudem die Empfehlung, dass der Perimeter auf die ganze Region ausgerichtet werden müsse. Dies steht notabene in direktem Widerspruch zur Forderung der Behördendelegation, die Anfang November eine Fokussierung auf die Strecke Rusel bis Brüggmoos verlangt hatte.
Weitere Empfehlungen waren, den Stadtraum effizient zu nutzen, die Plafonierung des Individualverkehrs durchzusetzen oder Biel zur Zukunftsstadt der Mobilität zu entwickeln. Alles schöne, gut gemeinte Anliegen, an denen die Kerngruppenmitglieder bestimmt gerne weiterspinnen.
Nur: Bringt uns das alles auch nur einen kleinen Schritt weiter?
Einmal mehr wurde und wird viel und engagiert um den heissen Brei herumgeredet. Denn Tatsache ist und bleibt: Soll sich in der Region etwas bewegen, braucht es einen Grundsatzentscheid. Dieser lautet: Westast ja oder nein.
Zentral ist dabei die Forderung nach einer Aufhebung des Enteignungsbanns, die gestern ebenfalls gestellt, aber von keinem der Behördenmitglieder als dringlich erachtet wurde.
Erstaunlich. Denn ausgerechnet in jenen Quartieren, wo eine Mehrzahl der TeilnehmerInnen die Stadtentwicklung vorantreiben möchte, bleibt alles blockiert, solange kein Entscheid betreffend Westast-Ausführungsprojekt gefällt wird.
Statt sich im Gespräch dieser Tatsache zu stellen, wiederholten die InteressensvertreterInnen noch und noch ihre Standpunkte. Und die Expertenstimmen verhallten allzu oft ungehört…
So sagte etwa ein Befürworter des Ausführungsprojekts: «Der Westast ist ein Geschenk des Bundes an die Stadt Biel, das ich gerne annehme.» Ergänzend fügte er bei, er glaube nicht, dass mit der Westastautobahn der Verkehr in der Region zunehmen werde. Auch der Einwand, dass dies mit Bestimmtheit der Fall sein werde, konnte ihn nicht von seiner Meinung abbringen. Genauso wenig wie der Hinweis des Verkehrsexperten, dass das Verkehrsaufkommen in der Region Biel keinen weiteren Autobahnbau rechtfertige…
Das Fazit nach dem ersten World-Café im Westast-Dialog: Es war ein erster Schritt in die richtige Richtung. Doch er hätte mutiger sein dürfen…
Soll das Stadtgebiet zwischen Biel, Nidau und dem See tatsächlich in den kommenden 10 bis 20 Jahren aufgewertet und nachhaltig entwickelt werden, wie dies eine Mehrheit der TeilnehmerInnen am Dialogprozess wünscht, gibt es allerdings nur eine Antwort:
Verzicht auf das Westast-Ausführungsprojekt.
TWANN-TÜSCHERZ:
SOLIDARITÄT MIT WINGREISERINNEN
Selten ist die Gemeindeversammlung so gut besucht wie am letzten Montag, 25. November. Der Grund war ein Thema, das nicht einmal auf der Traktandenliste stand, sondern unter Varia behandelt werden sollte: Das laufende Einspracheverfahren im Zusammenhang mit dem geplanten Ostportal und Installationsplatz des Twanntunnels.
Die Gemeinde Twann-Tüscherz hat juristisch keine Möglichkeit, das Portal zu verändern. Sie könnte höchstens auf die gesamte Tunnelumfahrung des Dorfkerns Twann verzichten. Eine Umfahrung, auf die viele Twannerinnen und Twanner seit Jahrzehnten warten.
Diese Ausgangslage nach dem Motto «Vogel friss oder stirb» zog rund 90 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in die Rebhalle, dies entspricht fast 10 Prozent der Stimmberechtigten. Das Budget 2020 sowie ein paar weitere Investitionen und neue Verordnungen wurden von den Anwesenden diskussionslos und in Rekordzeit durchgewunken. Unter dem Traktandum Varia kam dann endlich jenes Thema zur Sprache, das am linken Bielerseeufer aktuell die Wogen hochgehen lässt.
Trotz der äusserst kontroversen Ausgangslage, blieb die Diskussion sachlich. Die Votantinnen und Votanten von Wingreis, dem Weiler der am meisten unter dem Bau des Twanntunnels leiden würde, fühlten sich am Ende des Abends in ihren Ängsten und Sorgen gehört und verstanden.
Einen formellen Entscheid der Versammlung konnten sie zwar nicht einfordern, da das Thema nicht traktandiert wurde. Gemeindepräsidentin Margrit Bohnenblust versprach jedoch verbindlich, alle Anliegen der betroffenen WingreiserInnen in die Baueinsprache der Gemeinde Twann-Tüscherz einfliessen zu lassen.
Das Fazit der Gemeindeversammlung: Alle sind vom Lärm geplagt, alle wollen endlich Ruhe. Wie dies erreicht werden soll, ob mit der vorliegenden Tunnelvariante oder im Gegenteil, indem man darauf verzichtet, dürfte künftig noch zu einigen Diskussionen Anlass geben.
So oder so steht fest: Ob Stückwerk oder Gesamtlösung dürfte der Strassenlärm die Dörfer noch jahrelang plagen. Um Abhilfe zu schaffen, braucht es kluge Lenkungsmassnahmen zum Schutz von Bevölkerung und Natur.
Noch bis Ende Woche sind all jene, die vom Bau des Twanntunnels irgendwie betroffen sind aufgefordert, beim UVEK ihre Einsprache einzureichen. So können etwa auch AnwohnerInnen der Neuenburgstrasse in Biel einen Nachteil durch die geplante Baustelle geltend machen, da diese zu einer markanten Zunahme von LKW-Fahrten auf der N5 zwischen Biel und Wingreis führen würde.
Text: © Annekäthi Zweidler
Berichterstattung im Bieler Tagblatt – click and read
NOCH MEHR WIDERSTAND AM BIELERSEE
Der frisch renovierte Saal im alten Gemeindehaus von Tüscherz war am letzten Samstag, 23. November 209, brechend voll: Rund 90 Personen folgten der Einladung zum Info-Anlass des Aktionkomitees «N5 Bielersee – so nicht!». Dieses kämpft aktuell gegen den vom Astra geplanten Twanntunnel-Installationsplatz in Wingreis, dem Liegenschaften und kostbare Rebberge geopfert werden sollen.
Das grosse Interesse insbesondere der Bevölkerung von Ligerz, Twann und Tüscherz kommt nicht von ungefähr: Die N5 beeinträchtigt seit Jahren die Lebensqualität am linken Bielerseeufer. Der geplante Twanntunnel würde für einen kleinen Teil der Bevölkerung zwar Abhilfe schaffen, gleichzeitig hätte dessen Bau aber im Weiler Wingreis zerstörerische Folgen.
Das geplante Bauvorhaben für das Tunnel-Ostportal, müsse unbedingt verhindert werden, so der Tenor an der Veranstaltung. Man könne die Fehlplanung von vor 60 Jahren nicht mit noch mehr Beton korrigieren.
Einige traten dafür ein, dass nur ein durchgehender Tunnel von Biel bis La Neuveville den lärmgeplagten Dörfern wieder mehr Lebensqualität bringen würde. Andere sprachen sich für die kleine Seelandtangente aus. Und wieder andere möchten den motorisierten Verkehr reduzieren, indem man die Strecke mit einem LKW-Transitverbot belegt und den ÖV gezielt fördert.
Der Umweltjurist Reinhard Zweidler ermunterte die Anwesenden, gegen das Bauvorhaben in Wingreis Einsprache einzureichen. Er betonte, dass entgegen der Ausünfte des Astra, jede Person, die durch das Projekt beeinträchtigt würde, befugt sei, eine Einsprache zu schreiben. Punkte, die dabei aufgeführt werden können, sind zum Beispiel die Zunahme von Lärm und Staub durch die Baustelle, die langjährigen und teilweise gefährlichen Umleitungen von Velo- und Wanderwegen und nicht zuletzt der Verlust von Biodiversität.
Das Komitee ruft deshalb die Bevölkerung auf, möglichst zahlreiche, individuell begründete Einsprachen gegen das Twanntunnel Ostportal zu verfassen und diese bis spätestens am Samstag, 30. November an das UVEK abzuschicken. Es stellt dafür auch eine Mustereinsprache zur Verfügung, die je nach Betroffenheit abgeändert werden kann:
Wichtig sind die Einsprachen nicht nur, damit der überdimensionierte Installationsplatz für das Twanntunnelportal in Wingreis verhindert werden kann. Darüber hinaus geht es auch darum, die Salamitaktik des Astra zu stoppen, welches alles daran zu setzen scheint, die Autostrasse 3. Klasse am Bielersee mittelfristig zu einer Autobahn 2. Klasse auszubauen.
Ein Ansinnen notabene, das in engem Zusammenhang mit der Westast-Planung in Biel steht: Würde die Westast-Autobahn tatsächlich gebaut, wie es Kanton und Astra planten, wäre ein Kapazitätsausbau am linken Bielerseeufer wohl unumgänglich. Weil über den Westast zwangsläufig noch mehr Verkehr in die sensible Reblandschaft gelenkt würde…
Text: ©Annekäthi Zweidler
OFFENER BRIEF AN REGIERUNGSRAT NEUHAUS
Wir erinnern uns: An ihrer Sitzung vom 4. November forderten die Mitglieder der Behördendelegation zum A5-Westast, dass die Diskussion am Runden Tisch den Fokus künftig «auf die Lösung der Verkehrsprobleme (abgestimmt auf die Stadtentwicklung) Brüggmoos-Rusel» beschränken und deren Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft höchstens skizziert werden dürften. Zudem verlangten sie erste Resultate bereits für Ende Februar…
Fredi Steinmann, Mitglied der Dialoggruppe und SP-Stadtrat, schrieb daraufhin einen offenen Brief an Regierungsrat Christoph Neuhaus, den er gleichzeitig dem Bieler Tagblatt als Leserbrief schickte. Gedruckt wurde der Brief allerdings mit einiger Verspätung: Er erschien am 22. November im BT:
Noch länger liess die Antwort von Christoph Neuhaus auf sich warten. Sie datiert vom 27. November – Fredi Steinmann hat sie auf FB publiziert:
EXPERTENBERICHTE VERKEHR UND STÄDTEBAU:
FAKTEN UND EMPFEHLUNGEN
ZUR WESTAST-DISKUSSION
In zwei Wochen, am 3. Dezember, findet die fünfte und für dieses Jahr letzte Sitzung der Westast-Dialoggruppe statt. Dannzumal sollen die VertreterInnen der verschiedenen Interessensgruppen in einem Workshop über Städtebau und Verkehr diskutieren – und im Prozess der Lösungsfindung einen entscheidenden Schritt weiter kommen.
Geleitet wird die Diskussion, an der ausnahmsweise drei statt wie üblich zwei Mitglieder pro Organisation teilnehmen können, vom Mediations-Spezialisten Paul Krummenacher von Frischer Wind, der im Vorfeld bereits an Kerngruppensitzungen teilgenommen hat und mit einer Spurgruppe nächste Woche den Dialoggruppen-Workshop weiter vorbereiten wird.
Gestern haben alle Mitglieder des Runden Tischs nebst der Traktandenliste je einen Synthesebericht zu den Themenbereichen Städtebau und Verkehr erhalten, die von den beiden ständigen Experten Han van de Wetering und Fritz Kobi erstellt worden sind. Sie sollen am 3. Dezember als Diskussionsgrundlage dienen.
In der Tat bieten die beiden Berichte einiges an Diskussionsstoff! Ab sofort sind sie öffentlich – ihre Lektüre ist für alle Westast-Interessierten ein absolutes MUST!
Die Fakten, die die Experten zusammengetragen haben, erlauben eine sachliche Analyse der aktuellen Situation. Gleichzeitig bieten sie eine valable Basis für Empfehlungen betreffend Massnahmen, die eine nachhaltige Stadt- und Verkehrsentwicklung ermöglichen.
Quelle: «Mobilität und Verkehr – eine Standortbestimmung» – Verkehrszählungen 2018
Der Synthesebericht zum Verkehr:
Verkehrsexperte Fritz Kobi weist in seinem 15seitigen Bericht «Mobilität und Verkehr – eine Standortbestimmung» darauf hin, dass zeitgemässe und künftige Verkehrs- und Mobilitätslösungen heute fundamental anders aussehen als vor 60 Jahren. Basierend auf aktuellen Zahlen und Fakten zeigt er auf, weshalb ein Festhalten am Westast-Projekt problematisch ist. Sein Fazit:
«Rund 20% des heutigen Verkehrs auf dem Basisnetz in Biel ist Durchgangsverkehr. Als Grössenordnung auf der Bernstrasse täglich rund 4000 Fahrzeuge, auf der Ländtestrasse rund 2500 Fahrzeuge und in Ipsach rund 3000 Fahrzeuge. Überall kein starker Durchgangsverkehr. Mit einem Anteil von in der Grössenordnung rund 80% dominieren Ziel‑, Quell- und Binnenverkehr. Also «hausgemachter Verkehr». Bezüglich des Umgangs mit diesem Verkehr lassen die Vorgaben der Stadt und die Handlungsansätze des Städteverbandes keine Zweifel offen. Gespannt ist deshalb der Blick auf die weitere Entwicklung.
Die Bauzeit für den Westast beträgt gemäss Angaben des Tiefbauamtes des Kantons Bern rund 15 Jahre. Mit den zu erwartenden Verfahren ist davon aus zu gehen, dass im Falle einer Genehmigung der Westast wohl erst im Zeitraum +/- 2045 in Betrieb genommen werden könnte. Bei Varianten, die eine Anpassung des Netzbeschlusses erfordern, noch später. Steht Biel damit 25 bis 30 Jahre still?
In diesem Kontext erlaubt sein muss die Frage, ob das Entwerfen und Diskutieren zusätzlicher Varianten überhaupt zielführend sein kann. Bedeutet dies nicht eine Rückkehr in die Epoche 1945 – 1990? Wie steht es dabei mit der Partizipation der direkt Betroffenen? Varianten gibt es eigentlich genug. Eine Tatsache ist auch, dass die heutigen Probleme nicht mit jenen Ansätzen gelöst werden können, welche die Ursache der Probleme sind.
Die Zahlen lassen erahnen, wo in Biel und in der Region die Probleme liegen. Müsste deshalb nicht das Entwerfen und Diskutieren einer Stossrichtung inklusive Vorgehensstrategie im Vordergrund stehen? Ein Ansatz, in den sowohl der aktuelle städtbauliche wie auch verkehrliche Handlungsbedarf integriert ist. Erst wenn eine Stossrichtung und Vorgehensstrategie als Empfehlung vorliegen und seitens der Behörden beschlossen sind, kann es darum gehen, in einem nächsten Schritt ein Projekt in einem partizipativen Prozess mit den direkt Betroffenen zu erarbeiten und zu optimieren.»
Der vollständige Synthesebericht «Mobilität und Verkehr»:
Der Synthesebericht zum Städtebau:
Städtebauexperte Han van de Wetering geht in seiner «Standortbestimmung Städtebau» mit der aktuellen Stadtentwicklung und ‑planung von Biel und Nidau hart ins Gericht. Insbesondere kritisiert er, dass das grosse Entwicklungspotenzial, namentlich im Grenzgebiet zwischen Nidau und Biel, seit Jahrzehnten nicht ausgeschöpft wird. Dies nicht zuletzt eine Folge fehlender Planungssicherheit. Zahlreiche Liegenschaften von der Seevorstadt bis in die Weidteile stehen zudem wegen der Westast-Fehlplanung unter Enteignungsbann, was jegliche Entwicklung in diesen Räumen blockiert. De Wetering weist in seinem Bericht auch wiederholt darauf hin, dass sich die Stadtentwicklung in den historisch gewachsenen Räumen viel stärker am Bestand orientieren müsste, als dies in den aktuellen Planungen von Nidau und Biel vorgesehen ist. Sein Fazit:
«Die Stadtentwicklung ist sehr stark auf das Projekt Westast ausgelegt. Beispielsweise sind das Hochhauskonzept oder auch die Verdichtung im gesamten Gebiet der Weidteile ohne Westast nicht nachvollziehbar. Die Abhängigkeiten und damit auch die Planungsunsicherheiten sind gross. Aufgrund der langen Planungs- und Bauzeit von grossen verkehrsinfrastrukturellen Bauwerken sollte viel mehr aus dem Bestand heraus gedacht werden. Bereits heute besteht im Raum ein grosser Handlungsbedarf. Es braucht in erster Linie dringend Lösungen für die nächsten 10 bis 25 Jahre.
Aus Sicht der Gesamtregion ist das Entwicklungsgebiet Bahnhof / See bewusster als urbanes Entwicklungsgebiet mit Dienstleistungen, Bildung, Mischnutzungen und attraktiven öffentlichen Räumen zu betrachten. Die ÖV-Erschliessung und die feinmaschige Anbindung an die angrenzenden Stadtquartiere haben Priorität und sollen die Profilierung des Gebiets stärken.
Der Handlungsraum Brüggmoos-Rusel ist ein städtebaulich sensibler Raum mit vielen wertvollen, erhaltenswerten Gebieten und Elementen und vielen besonderen Freiräumen. Ausserdem ist die äusserst besondere Entwicklung des Gebiets, mit zwei unterschiedlichen Bahnhofsstandorten, noch sehr gut lesbar. Für Entwicklungen im Gebiet (sowohl bauliche als auch verkehrliche) sollen der Bestand und die historische Struktur viel stärker berücksichtigt werden.
Der Verkehr wird in der Behandlung des Stadtraums generell zu stark als Problem und nicht als Chance wahrgenommen. Aus der historischen Entwicklung war der Verkehr aber auch Katalysator einer qualitativen Ortsentwicklung. Wichtig sind darum die integrale Betrachtung von Verkehr und Städtebau und die Betonung der positiven Aspekte des Verkehrs (Sichtlage, Frequenzen, gute Erreichbarkeit etc.).
Die beiden Städte und die Region haben sich, insbesondere auch zum Thema Klima und Mobilität, ambitiöse Ziele gesetzt (z.B. Strategie Biel 2030). Der Dialogprozess soll dazu genutzt werden, sich mit einer nachhaltigen, innovativen, platzsparenden Mobilität und deren Auswirkungen auf das Projekt Westast auseinanderzusetzen.»
Der vollständige Synthesebericht «Städtebau»:
EINE OHRFEIGE FÜR
WESTASTGEGNERINNEN UND FRAUEN
Was RealistInnen schon während des Wahlkampfs befürchtet haben, ist eingetreten: Regula Rytz ist auf Platz 3 gelandet und somit die grosse Wahlverliererin bei den Ständeratswahlen im Kanton Bern. Und mit ihr alle, die geglaubt haben, die SVP mit einem rotgrünen Zweierticket so einfach auszuhebeln.
Schade, es hätte nicht so weit kommen müssen. Nicht nur, dass der anbiedernde Wahlkampf von Stöckli offenbar Früchte getragen hat, weil es sich im konservativen Kanton Bern nach wie vor auszahlt, wenn man, statt auf Argumente zu setzen, z. B mit SVP-Bundesräten posiert.
Das auch in grünen Kreisen weit verbreitete Narrativ, dass wer Rytz wählen wolle, gleichzeitig Stöckli auf den Wahlzettel schreiben müsse, war so falsch wie fatal: Hätten rund 8250 Menschen beim zweiten Wahlgang bloss Rytz auf ihren Zettel geschrieben und den Stöckli weggelassen, sähe das Resultat heute Abend anders aus. Dann nämlich wäre das Duo Rytz / Salzmann gewählt gewesen.
Mit Regula Rytz hätten wir eine profilierte Verkehrspolitikerin im Ständerat gehabt, die sich dort für eine zukunftsfähige Verkehrspolitik und gegen veraltete Strasseninfrastrukturprojekte wie den Westast eingesetzt hätte.
Mit Hans Stöckli und Werner Salzmann ist das Gegenteil der Fall: Von ihnen ist in Sachen nachhaltiger Verkehrspolitik und zukunftsfähiger Visionen nichts zu erwarten. Kommt dazu, dass der Kanton Bern erneut zwei Männer in den Ständerat schickt – dies kommt einer Ohrfeige für die Berner Frauen gleich.
Wenn Hans Stöckli in Interviews nun bedauert, es sei schade, habe keine der Kandidatinnen das Rennen gemacht, sind das Krokodilstränen, die nur wütend machen: Der 67jährige Politveteran hätte es in der Hand gehabt, Jungen und Frauen den Weg zu ebnen. Doch er hat sich für das Gegenteil entschieden: Ihm ging es bloss um seine eigene Wiederwahl und die Aussicht auf das kommende Jahr als Ständeratspräsident.
Schwamm drüber – die Ständeratswahlen sind bloss eine Episode. Wir bleiben dran und werden nicht locker lassen: Der Kampf gegen den Westast und für eine zukunftsfähige Mobilität und Entwicklung im Berner Seeland und gegen die Zerstörung der Landschaft geht weiter…
ANGST VOR PARTIZIPATION?
Alarmierende Signale an der gestrigen Sitzung der Behördendelegation zum A5-Westast. Wie erwartet, waren die VertreterInnen des Kantons, der Gemeinden und der Verwaltung mit dem aktuellen Stand der Westast-Diskussion nicht zufrieden.
In ihrer Medienmitteilung zeigen sie sich «besorgt über Fortschritte des Dialogprozesses». Als Remedur fordern sie, dass die Diskussion am Runden Tisch den Fokus künftig «auf die Lösung der Verkehrsprobleme (abgestimmt auf die Stadtentwicklung) Brüggmoos-Rusel» beschränken soll. Deren Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft seien bloss zu skizzieren.
Ein Rückfall in überwunden geglaubte Zeiten: Offenbar ist bei den BehördenvertreterInnen des Kantons Bern und den beteiligten Verwaltungen die Tatsache noch nicht angekommen, dass Verkehrsprobleme ganzheitlich betrachtet und gelöst werden müssen. Und dass Infrastrukturprojekte Auswirkungen haben, die weit über deren baulichen Perimeter hinaus reichen.
Wer im 21. Jahrhundert – und nach den Wahlen vom 20. Oktober – noch glaubt, Umwelt- und Gesellschaftsfragen im Zusammenhang mit Verkehrsinfrastrukturproblemen weitgehend ausklammern zu können, ist schlecht beraten.
Glaubt man den Formulierungen im heutigen Bieler Tagblatt, hat sich die Behördendelegation gestern vom «ergebnisoffenen Prozess» verabschiedet. So sollen etwa Varianten wie die (kleine) Seelandtangente, die in der Region eine breite Unterstützung geniessen, nicht mehr zur Diskussion stehen…
Die Behördendelegation geht sogar noch weiter: In ihrem neu formulierten Auftrag, den sie heute Vormittag allen Mitgliedern des Runden Tischs zukommen liess, fordert sie ultimativ, dass der finanzielle Rahmen (CHF 1,2 Millionen) sowie der Abgabetermin vom Juni 2020 eingehalten werden müssen. Partizipative Verfahren, die für die Entscheidfindung unabdingbar sind, sollen erst in Betracht gezogen werden, nachdem ein Lösungsvorschlag der Dialoggruppe vorliegt:
«Die Behörden von Bund, Kanton und Gemeinden werden nach Vorliegen der Empfehlung der Dialoggruppe über das weiter Vorgehen (inkl. Partizipation der Bevölkerung) entscheiden.»
Partizipation, wenn der Entscheid vorliegt? Einmal mehr wollen die Verantwortlichen das Pferd vom Schwanz her aufzäumen – Erinnerungen werden wach an die Arbeitsgruppe Stöckli… Die Behördendelegation scheint aus bisherigen Fehlern immer noch nichts gelernt zu haben. Oder fürchtet man sich einfach vor der Bevölkerung, vor deren Partizipation?
Zumindest für den Bieler Gemeinderat scheint dies zuzutreffen: Wie letzte Woche bekannt geworden ist, will er die neue Motion für eine Konsultativabstimmung zur Westumfahrung der Autobahn A5 nach dem Ende des Westastdialogs bloss als Postulat annehmen. Mit der Begründung, «dass die Frage nach dem Sinn einer Konsultativabstimmung erst dann schlüssig beantwortet werden kann, wenn die Schlussergebnisse des laufenden Dialogprozesses auf dem Tisch liegen.»
Mit der Einberufung des Runden Tischs vor einem Jahr hat die Behördendelegation eine Tür geöffnet, um jahrzehntealte Probleme zu lösen. Ja, die Chance rückte gar in Reichweite, einstige Fehlentscheide zu korrigieren und im Seeland partizipativ ganzheitliche Lösungen für Mobilitäts- und Entwicklungsfragen zu erarbeiten.
Mit der gestrigen Umformulierung ihres Auftrags an die Dialoggruppe, schlägt die Behördendelegation diese Tür wieder zu. Nun liegt es an der Leitung des Dialogprozesses, zu retten, was noch zu retten ist. Sonst entpuppt sich der Dialogprozess schlussendlich als das, was viele von vornherein befürchtet haben: Als reine Alibiübung.
Soweit darf es nicht kommen! Der Ball liegt nun bei Hans Werder. Er muss, zusammen mit der Kern- und Dialoggruppe, den Forderungen der Behördendelegation mit konstruktiven Vorschlägen und Resultaten entgegentreten und aufzeigen, dass eine Lösung nur mit Blick über den engen Westast-Perimeter hinaus möglich ist – und in Zusammenarbeit mit der Bevölkerung.
HALBZEIT BEIM WESTAST-DIALOG
Fast ein Jahr ist vergangen, seit die «Behördendelegation zur A5-Umfahrung Biel» auf Antrag von Regierungsrat Christoph Neuhaus am 21. Dezember 2018 den Westast-Dialog eingeläutet hat. Am 4. November fand nun die nächste Sitzung dieses Gremiums statt, in dem das Tiefbauamt des Kantons Bern, die Gemeinden Biel, Nidau, Brügg, Orpund, Twann-Tüscherz, Port und Ipsach, der Verein seeland.biel/bienne sowie das Bundesamt für Strasse vertreten sind.
Hans Werder, der von der Behördendelegation ernannte Leiter des sogenannten Dialogprozesses, war eingeladen, an dieser Sitzung über den aktuellen Stand der Dinge am Runden Tisch zu referieren. Eine Aufgabe, um die er nicht zu beneiden ist.
Es ist davon auszugehen, dass die Mitglieder der Behördendelegation handfeste Resultate erwarten. Immerhin ist jetzt Halbzeit der für die Westast-Sistierung gesetzten Frist bis Juni 2020.
Tatsache ist jedoch: Auch Monate nach Beginn des Prozesses, sind die TeilnehmerInnen nicht miteinander ins Gespräch gekommen – wir haben in den letzten Monaten regelmässig auf unserer Website darüber berichtet…
Die Fronten scheinen nach wie vor festgefahren: Während die einen die innerstädtischen Anschlüsse ablehnen, sind die anderen angetreten, das Ausführungsprojekt mit ebendiesen Anschlüssen zu verteidigen.
Noch immer werfen die BefürworterInnen des Ausführungsprojekts dessen GegnerInnen vor, sie würden Fundamentalopposition betreiben. Gleichzeitig halten sie aber an der Umsetzung des Ausführungsprojekts fest.
Der bisherige Verlauf des «Prozesses» stimmt wenig optimistisch: Ohne grössere Bereitschaft von Seiten der Leitung wie auch der Teilnehmenden, wirklich aufeinander einzugehen, zuzuhören und Partizipation zuzulassen, droht der Runde Tisch zu einer weiteren Alibiübung zu verkommen.
Die Frage steht im Raum: Was ist angesichts der Ausgangslage überhaupt verhandelbar? Über was kann und soll diskutiert werden? – Solchen Fragen ist man bis heute jedoch tunlichst ausgewichen. Vielmehr hat man sich auf die Organisation des Prozesses und die Vergabe von Mandaten konzentriert.
Das ist ärgerlich. Gleichzeitig war und ist es jedoch wichtig, dass der Dialogprozess sorgfältig aufgegleist und ebenso geführt wird. In der Vergangenheit haben wir oft genug erlebt, wie Schnellschüsse und Pseudo-Partizipation in eine Sackgasse führten.
Was während 40 Jahren verbockt worden ist, kann nicht mit ein paar Sitzungen innerhalb von 18 Monaten zurechtgebogen werden. Das hat sich in den letzten Monaten deutlich gezeigt. – Die alten Rezepte taugen nicht, für eine zukunftsfähige und in der Bevölkerung breit abgestützte Lösung. Neue Wege sind gefragt – dafür braucht es aber etwas Mut, innovative Köpfe und ja – auch Zeit.
Mit der Umnutzung des ehemaligen A5-Pavillons in der Seevorstadt zu einem Dialograum für die Westast-Diskussion wurde ein erster Schritt in die richtige Richtung gewagt. Nun muss er nur noch genutzt werden!
Hoffnungsvoll stimmt auch die angedachte Unterstützung durch das auf Partizipationsprozesse spezialisierte Unternehmen «Frischer Wind». Die KommunikationsspezialistInnen sollen den Dialog, der bisher nicht möglich war, endlich in Gang bringen. Dies ist die unabdingbare Voraussetzung für einen echten Partizipationsprozess.
Wie wichtig und nötig es ist, dabei ganzheitlich zu denken und über den engen Perimeter der Westast-Autobahn in Biel und Nidau hinauszudenken, zeigen die jüngsten Entwicklungen in Twann-Tüscherz: Dort haben die Schutzorganisationen zusammen mit dem Kanton, dem Astra und den Behörden eine «Lösung» erarbeitet – ohne die direkt betroffene Bevölkerung zu konsultieren.
Das Resultat: Widerstand gegen ein Bauprojekt, das – wie der Bieler Westast – nicht mehr in die heutige Zeit passt. Darüber hinaus wird am geplanten Twann-Tunnel einmal mehr deutlich, wie wichtig es ist, über den engen Perimeter eines Infrastrukturprojekts hinaus zu denken und dessen Auswirkungen grossräumig zu untersuchen.
Dies gilt für alle Strassenbauprojekte in der Region – für den Vingelz- und den Porttunnel genauso wie für die Tunnel Bienne Centre und Seevorstadt. Mit anderen Worten: Das Aushandeln zukunftsfähiger Mobilitätslösungen in der Region ist komplex und braucht ein sorgfältiges Verfahren.
Deshalb lohnt es sich, diesem Prozess die notwendige Zeit zu gewähren. Im Endeffekt kommt man damit schneller ans Ziel, als wenn man – wie gehabt – auf Teufel komm raus eine unbefriedigende Variante vorantreibt. Die schlussendlich zum Scheitern verurteilt ist.
Nachtrag: Mit einem offenen Brief an Regierungsrat Christoph Neuhaus und die Mitglieder der Behördendelegation hat auch das Komitee «Westast so nicht!» Stellung genommen zum aktuellen Stand des Westast-Dialogs:
WESTAST LIGHT
In diesen Tagen haben ausgewählte Behördenmitglieder, TeilnehmerInnen des Westast-Dialogs sowie die Medien brisante Post erhalten. Die Zeichnungen und Entwürfe, die der Bieler Entwicklungsökonom Robert Merz in über 300 Stunden Gratisarbeit kreiert hat, könnten den dümpelnden Westast-Prozess endlich in Fahrt zu bringen.
Während sich die Mitglieder der Kern- und Dialoggruppe zusammen mit hoch bezahlten Experten seit Monaten vor allem mit Vorgehensfragen, der Beschaffung von Informationen und der Vergabe teurer Mandate beschäftigen, hat Robert Merz seine Vision einer Variante «Westast light» in akribischer Kleinarbeit konkretisiert und zu Papier gebracht.
Das Bestechende an seinem Vorschlag: Der «Westast light» geht behutsam mit allen Verkehrsträgern um. Er ermöglicht städtebauliche Verbesserungen gleichermassen wie verkehrliche Beruhigung, sowohl in der Stadt wie auch grossräumig.
Man darf gespannt sein, ob und wie der Runde Tisch auf den Vorschlag von Robert Merz reagiert. Diese Variante hat grosses Potenzial und könnte endlich Bewegung in die Diskussion bringen. Kombiniert mit einem Transitverbot für den Schwerverkehr durch die Stadt Biel sowie auf der A5 zwischen Thielle und dem Brüggmoos, bietet sie eine Basis für einen umfassenden Lösungsansatz in Bezug auf die Mobilitätsprobleme der Region.
DETAILS, KOMMENTARE UND PLÄNE ZUR VARIANTE «WESTAST LIGHT»
GROSSANGRIFF IM REBBERG
Am 1. November beginnt die öffentliche Planauflage für das Twanntunnel Ostportal und den vom Astra geplanten Bauinstallationsplatz. Dafür wurden in den letzten Tagen die notwendigen Aussteckungen im Gelände vorgenommen.
Erinnerungen an die Westast-Aussteckung vom Frühjahr 2017 werden wach: Die kleinen Holzpföstchen im Gelände fallen kaum auf – und stehen in krassem Gegensatz zu dem, was sie ankündigen: Die Markierungen zeigen das riesige Ausmass der Zerstörung, welche am Wingreiser Rebhang und bis ins Dorf hinein droht.
Noch im Sommer hatten die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz SLS und der Kanton den gemeinsam ausgehandelten Kompromiss für das Tunnel-Ostportal als «modellhaft» gefeiert. Im Interview, das auf der Website der Bau‑, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern publiziert ist, äussert SLS-Geschäftsführer Raimund Rodewald die Hoffnung, dass man sich nun sicher auch noch über die Lage der Installationsplätze einig werde.
Erst jetzt, mit der bevorstehenden Planauflage, wird der Bevölkerung klar, was der Bau des Twanntunnels für die Reblandschaft für fatale Folgen hätte. Noch ist es nicht zu spät: In de kommenden Tagen findet in Twann eine Aussprache zum Baustelleninstallationsplatz in Wingreis zwischen den Verantwortlichen des Tiefbauamts des Kantons Bern, der Gemeinde und den Betroffenen statt.
Vom 1. bis 30. November findet anschliessend die öffentliche Planauflage statt. Die Pläne können auf der Gemeindeverwaltung in Twann sowie online eingesehen werden. Einspracheberechtigt sind allerdings, wie üblich in solchen Verfahren, nur direkt Betroffene sowie die Schutzverbände.
Umso wichtiger ist es, dass die Wingreiser Bevölkerung aus der ganzen Region Unterstützung und Solidarität erfährt. Es geht um mehr, als um einen Installationsplatz: Mit dem Ostportal des Twanntunnels droht eine weitere dauerhafte Zerstörung in einer der schönsten Landschaften der Schweiz – die notabene auf der nationalen Liste der schützenswerten Landschaften aufgeführt ist.
Weitere Informationen zum Verfahren sowie zu den Aktivitäten des neu gegründeten Vereins «N5 Bielersee – so nicht!» sind auf dessen Facebook-Site zu finden – ein Blick darauf lohnt sich!
Zudem: Die heutige Ausgabe der Bauernzeitung widmet dem Thema eine ganze Seite! Mit einem tollen Interview mit der Biowinzerin Anne-Claire Schott, die einen Teil ihrer Reben an das Bauprojekt verlieren würde. Sie sagt unter anderem: «Es ist nicht nur mein persönlicher Verlust, sondern ein Verlust für die ganze Gesellschaft. Hier ist es paradiesisch. Doch bereits der Bau der Bahnlinie hat die Häuser vom See getrennt, dann kam in den 60er Jahren noch die Strasse hinzu. Die Seele der Landschaft wird kaputt gemacht. Die Bauten werden Mehrverkehr bringen und damit Lärm für die Anwohner. Mit dem geplanten Tunnel will man uns lediglich ein «Zückerli» geben, damit wir besänftigt sind.»
Anne-Claire Schott ist Gründungsmitglied des Komitees «N5 Bielersee – so nicht!» – zu dessen Zielsetzung sagt sie: «Wir müssen aufrütteln, so dass nicht jeder nur an sich und sein eigenes Dörfli denkt. Wir wollen klar machen, dass dieses schweizerische Kulturgut, welches auch einen grossen touristischen, wirtschaftlichen und historischen Wert hat, geschützt werden muss.»
Der vollständige Artikel in der Bauernzeitung vom 25. Oktober 2019 mit Interview und Zusatzinformationen:
STÖCKLI UND DER WESTAST
Hier sollte eigentlich – wie angekündigt – das Interview mit Ständeratskandidat Hans Stöckli zum Westast stehen. Die wichtigsten Aussagen aus einem fast zweistündigen offiziellen Interview, das am Freitag, 20. September 2019 im Sitzungszimmer der Organisation «Jura & Drei-Seen-Land» geführt worden ist und auch als Tonaufnahme vorliegt.
Doch Hans Stöckli hat einmal mehr in die Politiker-Trickkiste gegriffen: Als er den fertigen Text am Sonntagabend, 22. September erhielt – mit der Bitte um Feedback bis am Mittwoch, 25. September – herrschte vorerst Funkstille. Auf die schriftliche Nachfrage und Ankündigung, dass die Publikation des Interviews für den Folgetag geplant sei, kam umgehend die Drohung per SMS: Er hätte noch keine Zeit gehabt zum Gegenlesen – und werde das gesamte Interview zurückziehen, sollten wir vor Samstag, 28. September online gehen.
Also vereinbarten wir eine nächste Deadline für den 28. September. Diesmal kam das Feedback pünktlich. Allerdings auf eine Art und Weise, wie ich es in meiner über 30jährigen journalistischen Tätigkeit noch nie erlebt habe: Statt wie üblich hier und dort eine kleine Änderung oder Korrektur, waren praktisch alle Antworten umgeschrieben:
Leider widerspiegelt der von Wahlkämpfer Stöckli überarbeitete Artikel das Gespräch nicht mehr, das wir geführt haben. Vielmehr wurden ganze Passagen des Interviews zu einer Plattform für seine Wahlparolen umfunktioniert.
Die meisten dieser Parolen kann man auch in anderen Medien nachlesen. So etwa im Bieler Tagblatt vom 28. September. Dort macht Ständerat Stöckli immerhin eine zusätzliche spannende Aussage zum Westast, die wir in dieser Deutlichkeit noch nie gehört oder gelesen haben: Angesprochen auf sein Engagement in der Gesundheitspolitik und für den Tourismus sagt der Ex-Bieler Stadtpräsident: «Solche Dinge sind als Bundespolitiker jetzt meine Hauptthemen, nicht mehr der Bieler Westast.»
Der Westast ist und bleibt jedoch das wichtigste Zukunftsthema für die Region Biel und das ganze Seeland. Dafür brauchen wir aber PolitikerInnen in Bern, für die die Umsetzung einer zukunftsfähigen Verkehrspolitik ein Hauptthema ist!
Gabriela Neuhaus
DIALOG GEHT ANDERS
Am Mittwoch, 18. September 2019 traf sich die Dialoggruppe A5-Westast zum vierten Mal am Runden Tisch. Die positive Meldung: Diesmal war der Tisch tatsächlich annähernd rund und damit übersichtlich. Allerdings gab es erneut akustische Probleme. Bei einer so grossen Runde, dies das erneute Fazit, muss zwingend mit Mikrofonen gearbeitet werden.
Darauf haben die Organisationsverantwortlichen des Runden Tisches explizit verzichtet. Weil das Herumreichen von Mikrofonen mühsam sei, wie der Vorsitzende Hans Werder bekannt gab. Stattdessen forderte er alle dazu auf, mit lauter Stimme zu sprechen…
Allerdings lag es nicht an der schlechten Akustik, dass erneut kein Dialog zustande kam. Schon die Traktandenliste liess erahnen: «Moderator» Werder und seine Mannen wollten in erster Linie informieren statt diskutieren – gewissermassen ein Einbahn-Dialog sollte es sein. Den Mitteilungen und Präsentationen von Moderator, Experten und Sekretariat räumten man folglich mehr als genug Zeit ein. Inhaltliche Diskussionen hingegen waren gar nicht erst eingeplant.
So informierte etwa Fritz Kobi in seiner Funktion als «ständiger Experte Verkehr», dass für die Umsetzung von Arbeitsschritt 1 (Problemwahrnehmung und Standortbestimmung) bei den beiden Verkehrsplanungsbüros Kontextplan und Transitec Studien bestellt werden sollen. Die beiden Büros, so Kobi weiter, seien gut ausgelastet und könnten deshalb ihre Offerten nicht vor Mitte Oktober einreichen. Das Einholen von Konkurrenzofferten, wie dies anlässlich der letzten Dialoggruppensitzung gefordert und von Moderator Werder versprochen worden war, war kein Thema mehr. Auf Anfrage erklärte Kobi, die beiden Büros seien bereits mit der Materie bekannt und könnten effizient Resultate liefern. Deshalb mache es keinen Sinn, weitere Offerten einzuholen.
Unnötige Zusatzstudien
Unklar blieb allerdings, was genau in diesen neuen Studien untersucht werden, und welche Fragen im Auftrag und somit auf Kosten des Dialogprozesses beantwortet werden sollen. Fakt ist: Die Beobachtung und Analyse der Verkehrsentwicklung in der Region Biel obliegt den Behörden. Sie haben denn auch in der Vergangenheit bereits zahlreiche Erhebungen und Studien in Auftrag gegeben – unter anderem bei den oben genannten Büros.
So erstellte zum Beispiel Transitec eine Studie zu den verkehrlichen Auswirkungen des Ostasts, die im letzten Oktober publiziert wurde. Im Auftrag der Stadt Biel führten Firma Emch+Berger im August 2018 qualitative Verkehrszählungen durch – auf deren Resultate wartet die Öffentlichkeit bis heute.
Umso ärgerlicher, dass nun im Rahmen des Dialogprozesses Geld und Zeit verschwendet werden sollen für Fragen, auf welche die Antworten längst vorliegen. Statt auf das vorhandene Material zurückzugreifen und dieses dem Dialogprozess als Grundlage zur Verfügung zu stellen, will man nun noch einmal Studien anfertigen lassen, die unnötig Zeit und Geld kosten sowie Interpretationen und Gewichtungen produzieren, die der Dialoggruppe mit ihrem reichlich vorhandenen Sachverstand vorbehalten sein müssen.
Während sich von Seiten der WestastgegnerInnen verschiedene Stimmen zur geplanten Vergabe der Aufträge an Kontextplan und Transitec in der Höhe von maximal CHF 50’000 kritisch äusserten, war von den Projektbefürwortern nichts zu hören. Ein Schema, das sich notabene praktisch durch die ganze Sitzung zog: Immer wieder engagierte Voten von den WestastkritikerInnen, die eine Debatte hätten anstossen können. Von der anderen Seite war jedoch kaum etwas zu vernehmen – man mochte sich ganz offensichtlich nicht auf eine Diskussion über Sinn und Unsinn der Vergabe von Studien oder die Gewichtung der verschiedenen Arbeitsschritte einlassen. Und von Seiten der Moderation wurden inhaltliche Fäden ebenfalls nicht weitergesponnen, im Gegenteil: Mit dem Hinweis auf die knappe Zeit, klemmte der Moderator immer wieder ab und wies VotantInnen in die Schranken. – Dialog geht anders…
Budget inakzeptabel
Nachdem das von der Prozessleitung vorgelegte Budget vorgängig bereits in der Kerngruppe zurückgewiesen worden war, hätte man sich auch zu diesem Thema einen Dialog in der sogenannten Dialoggruppe gewünscht. Moderator Hans Werder sah das anders: Auch die Finanzen waren als blosse Information traktandiert. Den offenkundigen Dissens über das Budget, der in der Kerngruppe herrschte, wollte er elegant im kleinen Kreis bereinigen. Dies, obschon gemäss Finanzvereinbarung die Verantwortung für das Budget klar der Dialoggruppe zugeordnet ist.
Im Anschluss an die Sitzung stimmte Moderator Werder immerhin der Veröffentlichung des Budgetentwurfs zu, damit sich alle Interessierten direkt informieren können – klicken und lesen:
Die Budgetfrage duldet auch deshalb keinen weiteren Aufschub, weil ihr eine zentrale Bedeutung zukommt: Die Frage, für was wieviel Geld und wann ausgegeben wird, ist matchentscheidend. Deshalb kann man nicht, wie Stadtpräsident Fehr in der Dialoggruppe gefordert hat, «jetzt einfach einmal loslegen», Aufträge vergeben – und das Budget in einem späteren Schritt bereinigen. Bei einem solchen Gebaren in der Stadt Biel, würde die Finanzdirektorin dem Stadtpräsidenten wohl gehörig auf die Finger hauen.
Schon die Tatsache, dass es sieben Monate gedauert hat, bis die Prozessleitung einen ersten Budgetentwurf vorgelegt hat, ist unerhört und jenseits von Good Governance. Was dabei besonders aufstösst: Obschon es sich bei diesem Budget erst um einen Entwurf handelt, ist bereits sehr viel Geld fix verplant und vertraglich versprochen. Ausser zur Verpflichtung des Sekretariats konnte sich die Dialoggruppe zu keinem der bereits festgelegten Budgetposten je äussern.
So betragen etwa der Budgetposten «ständiger Experte Verkehr Fritz Kobi» CHF 121’000 und derjenige für den «Experten Städtebau» Han de Wetering und sein Büro CHF 175’000. Nahezu bescheiden erscheint in diesem Kontext das Honorar für Moderator Hans Werder in der Höhe von CHF 80’000.
Und so wird das budgetierte Geld konkret ausgegeben: Die Herren Kobi und de Wetering verrechnen ihre Arbeit zu einem Stundenansatz von CHF 200.—. Ein Beispiel: Für eine Dialoggruppensitzung veranschlagt Ingenieur Kobi einen Arbeitsaufwand von 21 Stunden. Die Rechnung ist schnell gemacht: Pro Dialoggruppensitzung kostet Verkehrsexperte Kobi sage und schreibe CHF 4’200. –
Damit nicht genug: Für die Kerngruppensitzungen hat Kobi eine Abgeltung von 24 Stunden für eine Einzel- und 36 Stunden für eine Doppelsitzung budgetiert. Das heisst: Er kassiert für eine Einzelsitzung CHF 4’800 – für eine Doppelsitzung CHF 7’200.
Auch wenn Fritz Kobi, wie er anlässlich der Dialoggruppensitzung erklärte, dieses Budget nicht voll ausschöpfen sollte: Allein die Tatsache, dass in einem Gremium, wo ein Grossteil der Teilnehmenden Stunden um Stunden an Freiwilligenarbeit leistet, «Experten» im Rentenalter solche Honorare abkassieren, ist stossend. Und dem Dialog nicht förderlich.
Falsche Gewichtung
Insgesamt stehen für den Dialogprozess 1,2 Million Franken zur Verfügung. Das ist viel Geld – wenn man es richtig einsetzt. Allerdings geht beim aktuellen Budget schon über ein Drittel weg für «voraussichtliche Fixkosten» wie Sekretariat, Sitzungsgelder und das Honorar des Präsidenten sowie «Nebenkosten» wie Raummieten, Catering, Website etc.
Für die Vergabe von Aufträgen sind CHF 579’000 budgetiert. Davon sollen allein für Verkehrsexperten CHF 241’000 ausgegeben werden – für den Städtebau wurden CHF 185’000 eingesetzt (davon sind 175’000 für das Büro de Wetering bereits reserviert).
Die Themen Umwelt und Wirtschaft hingegen werden im Budget nur marginal berücksichtigt, das Thema «Zukunft» fehlt gänzlich, ebenso wie der wichtigste Posten im Budget eines DIALOGPROZESSES: Für die versprochene und dringend notwendige Partizipation wurden kaum Mittel reserviert. Es reicht nicht, einen Dialograum einzurichten und etwas an dessen Management zu bezahlen.
Damit der DIALOGPROZESS diesen Namen auch verdient, braucht es einen Budgetposten, der es erlaubt, entsprechende Fachleute zu verpflichten sowie partizipative Prozesse und Anlässe in den Quartieren und Regionen zu ermöglichen und zu unterstützen. Diesem Anliegen müsste unseres Erachtens absolute Priorität eingeräumt werden.
Stattdessen wird der Mammut-Anteil des Budgets für Expertisen zu Verkehrsfragen reserviert. In der Vergangenheit wurden bereits Millionen genau in diesem Bereich verbraten – was dabei herausgekommen ist, wissen wir. Das Problem der bisherigen Planung war ja gerade, dass man stets viel zu stark bloss auf Verkehrsfragen fokussiert hat.
Nach der Kerngruppe hat deshalb auch die Dialoggruppe den Budgetentwurf zurückgewiesen. Der Auftrag an die Prozessleitung: Das Budget müsse noch einmal gründlich überarbeitet werden, unter Berücksichtigung der Interventionen aus der Dialoggruppe.
Umstrittene Partizipation
Die Zeit war bereits fortgeschritten, als der von der Kerngruppe vorbereitete Antrag für die Einrichtung eines Dialograums ohne grosse Diskussion gutgeheissen wurde. Künftig sollen alle Organisationen und Gemeinden, die am Runden Tisch teilnehmen, den ehemaligen A5-Pavillon in der Seevorstadt für Informations- und Partizipationsveranstaltungen nutzen können. Eine weitere Öffnung, etwa für Schulen und weitere Bevölkerungskreise, steht noch zur Debatte. Die konkrete Ausgestaltung und die Nutzungsbedingungen sollen von der Kerngruppe demnächst definiert werden.
Nach diesem wichtigen Traktandum wollte Moderator Hans Werder zügig die Sitzungsplanung von 2020 bekanntgeben. Ohne Intervention von Seiten der Dialoggruppe wäre das wichtige Thema Partizipation nicht weiter diskutiert worden. Dies, obschon die Mitglieder der Kerngruppe an ihrer letzten Sitzung, aufgrund einer Präsentation von Mediationsspezialist Paul Krummenacher sich dafür ausgesprochen hatten, ihn und seine Firma «Frischer Wind» für die Dialogförderung am Runden Tisch möglichst bald einzubeziehen.
Nach einer entschiedenen Intervention von WestastgegnerInnen wie ‑befürworterInnen konnte die Dialoggruppe schliesslich durchsetzen, dass die Kerngruppe den verbindlichen Auftrag erhielt, zusammen mit Paul Krummenacher ein Konzept zu erarbeiten, welches den Beizug von «Frischer Wind» bereits in der nächsten Sitzung der Dialoggruppe vom 3. Dezember ermöglicht.
Damit besteht die Hoffnung, dass am nächsten Runden Tisch endlich ein Dialog möglich wird. Sollte dies nicht gelingen, stellt sich zum Jahresende die Frage, ob es Sinn macht, weiterhin soviel Zeit und Geld in eine Übung zu stecken, die sich je länger desto mehr als Alibiübung entlarvt.
Es ist augenfällig: Die Prozessleitung um Hans Werder, Fritz Kobi und Han de Wetering steht einer echten Partizipation skeptisch bis negativ gegenüber. Das Gleiche gilt auch für VertreterInnen verschiedener Organisationen und Behörden. Für die IG Häb Sorg zur Stadt hingegen steht fest: Ohne echte Partizipation, bei der interessierte Kreise nicht bloss informiert werden, sondern auch die Möglichkeit haben, sich einzubringen, mitzudenken und mitzugestalten, macht das Ganze keinen Sinn, und ein Übungsabbruch rückt in den Bereich des Möglichen.
Weitere Informationen:
- Das Protokoll der letzten Dialoggruppensitzung vom 4. Juli 2019 wurde verabschiedet und ist somit öffentlich:
- Die nächsten Kerngruppensitzungen sind für den 4. Oktober sowie für den 7. und 14. November terminiert, neu finden sie jeweils im Dialograum statt.
- In diesem Jahr gibt es noch eine Sitzung der Dialoggruppe – am 3. Dezember.
- In vorgängiger Absprache von Moderator Werder mit der Stadtpräsidentin von Nidau sowie dem Bieler Stadtpräsidenten wurden für 2020 drei Sitzungstermine für die Dialoggruppe bestimmt: 26. Februar, 27. Mai und 23. Juni – jeweils von 16 bis 19 Uhr.
Alle Infos rund um den WESTAST-DIALOGPROZESS in chronologischer Reihenfolge
DER WESTAST-WIDERSTAND
ALS VORBILD
«Wie stoppt man ein Autobahnprojekt?» lautete am letzten Samstag der Frontaufmacher im Bund. Nach wochenlangen Recherchen ist der von langer Hand angekündigte doppelseitige Artikel endlich erschienen. Darin versuchen zwei Berner Journalisten zu rekonstruieren, wie es zur aktuellen Sistierung des offiziellen Westast-Projekts gekommen ist.
Ihre Motivation: Mittlerweile ist der Widerstand gegen den A5-Westast zum Vorbild für AktivistInnen in der ganzen Schweiz geworden. Deshalb gingen sie der Frage nach, wie dieser Erfolg in einem anfänglich aussichtslos erscheinenden Kampf überhaupt möglich war.
Fleissig haben die beiden Journalisten laut eigenen Angaben gegen 30 Personen befragt. Vieles haben sie zusammengetragen, miteinander in Beziehung gebracht. Und trotzdem das Wichtigste vergessen…
Hier deshalb — für alle, die nach einer «Anleitung» für erfolgreichen Widerstand gegen unsinnige Strassenprojekte suchen — einige Ergänzungen und Korrekturen. Denn das Herz und die Basis für den Erfolg des Widerstands sind die unzähligen engagierten Bürgerinnen und Bürger, die sich mit immer neuer Eigeninitiative, unglaublicher Kreativität, Hartnäckigkeit – vor allem aber auch mit viel Lebensfreude und Optimismus – der Zerstörung ihres Lebensraums widersetzen.
Die Stadtwanderungen entlang der Zerstörungsachse, die ab Frühjahr 2016 durchgeführt wurden, waren nicht, wie dies der Bund-Artikel suggeriert, eine Erfindung medienversierter Komiteemitglieder – im Gegenteil: Die Stadtwanderungen zielten darauf, dass sich interessierte Bürgerinnen und Bürger vor Ort selber informierten. Unter kundiger Führung von AktivistInnen, welche die Pläne minutiös studiert hatten und nun entlang der geplanten Autobahnachse mit detaillierten Zahlen und Fakten das Bauvorhaben erläuterten. Dank Mund-zu-Mund-Propaganda wurden diese Ortstermine schnell zum Erfolg. Allerdings dauerte es sehr lange, bis sich regionale MedienvertreterInnen für diese Ortstermine interessierten…
Während die Medien noch schwiegen, verteilten engagierte AktivistInnen Flyer in Tausende von Briefkästen in Biel und den umliegenden Gemeinden, um die Bevölkerung auf diesem Weg über das geplante Monsterprojekt zu informieren. Sie waren tage- und wochenlang unterwegs und erreichten, dass die Bevölkerung der Stadt, die grösstenteils bis anhin noch nie etwas vom «Westast» gehört hatte, über die Ausmasse der geplanten Eingriffe informiert wurde.
Während sich JournalistInnen immer noch schwer taten, die wachsende Bewegung ernst zu nehmen und über den Westastwiderstand zu berichten, sorgten unermüdliche LeserbriefschreiberInnen dafür, dass die geplante Autobahn nun regelmässig ihren Platz in den Zeitungen erhielt. Pensionierte Ingenieure, kreative MitdenkerInnen präsentierten alternative Ideen und Varianten – und trugen ihrerseits dazu bei, dass die Behörden ihre Autobahnpläne nicht länger unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorantreiben konnten.
Im Vorfeld der öffentlichen Planauflage tauchten dann plötzlich überall in Biel und Nidau – ja sogar in Port Stopp-Westastplakate und Blachen auf. Mittlerweile war der Westast zu einem Stadtthema geworden, was dazu führte, dass beim UVEK über 650 Einsprachen eingingen – sowohl von Privaten wie von grossen Verbänden wie dem VCS oder der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz.
Quasi im Alleingang organisierte eine Westast-Kritikerin im Mai 2017 einen Veloflashmob: Innert weniger Tage schaffte sie es, über ihre Netzwerke und soziale Medien mehr als 1200 Menschen zu mobilisieren. Die friedliche Demonstration, die in guter Zusammenarbeit mit der Bieler Polizei durchgeführt wurde, war ein Schlüsselmoment im Westast-Widerstand und ermutigte die TeilnehmerInnen, sich weiter zu engagieren. So schuf der Flashmob die Basis, welche die grossen Demos im Herbst 2017 und 2018 erst ermöglicht hat.
Als publik wurde, dass 745 Bäume für den Westast gefällt werden sollen, entstanden spontan, aus der Mitte der Bevölkerung, neue Aktionen. Sie wurden weder von einer Organisation geleitet noch von einem Komitee gesteuert: AktivistInnen markierten auf eigene Faust wiederholt jene Bäume mit Plakaten, die dem Westast geopfert würden. Diese Baumaktionen hatten eine überwältigende Wirkung: Für viele BürgerInnen wurde erst jetzt deutlich, welche Zerstörungsdimensionen der Westast hat. – Und die Baumaktionen gehen weiter: Vor wenigen Wochen hat eine junge Frau, zusammen mit Gleichgesinnten, aus eigenem Antrieb zahlreichen bedrohten Bäumen «ein Gesicht verliehen».
Man könnte unzählige weitere Aktionen aufzählen, die von immer wieder anderen AktivistInnen initiiert wurden. Um nur einige zu nennen: Die Unterschriftensammlung für eine Petition gegen den Westast, das Fest im Müller Museum oder die Tavolata, wo AktivistInnen gemeinsam mit QuartierbewohnerInnen ein Strassenfest feierten – genau dort, wo die Westastschneise dereinst die Stadt zerschneiden würde.
Fazit: Der bisherige Erfolg des Westast-Widerstands basiert auf einer breiten Bewegung, die immer wieder neue kreative Ideen umsetzt – und so auch immer wieder neue Menschen zum Mitmachen ermutigt. Weil es genau genommen um weit mehr geht, als um das Verhindern eines Betonmonsters…
Genauso so, wie der vielfältige Widerstand funktioniert, müsste übrigens auch die Lösungssuche erfolgen, soll sie langfristig Erfolg haben: Es braucht einen transparenten offenen Prozess, wo kreative Ideen aus der Bevölkerung und aus verschiedenen Generationen einfliessen. Varianten hingegen, die von Planern unter Ausschluss der Öffentlichkeit erstellt werden, sind weder zeitgemäss noch zielführend.
Dies eine kurze aber wichtige Ergänzung zum oben erwähnten Bund-Artikel…
ASTRA-ZAHLENAKROBATIK
Jahr für Jahr erscheint ein Bericht des Bundesamts für Strassen (ASTRA), gespickt mit Zahlen und Grafiken. Das Ganze kommt sehr wissenschaftlich daher, die Stau- und Verkehrszahlen jeweils auf eine Stelle hinter dem Komma gerundet. Das heisst: auf einen Tausendstel genau.
Schon vor einem Jahr haben wir auf die Zahlenakrobatik des ASTRA hingewiesen. Auch dieses Jahr gibt es darüber wieder einiges zu berichten:
In der Öffentlichkeit erscheint in der Regel eine kondensierte SDA-Zusammenfassung. Wer jedoch den ganzen Bericht genau liest, stellt sich Fragen über Fragen. Denn Zahlen in eine Excel-Tabelle abfüllen und mit einer Formel ein Ergebnis, auf eine Stelle hinter dem Komma genau generieren, ist das eine. Viel wichtiger aber und entscheidend sind die verwendeten Daten: Wenn diese nicht stimmen und/oder wichtige Messzahlen fehlen, stimmt das Resultat noch weniger. Dass dieses mit Stellen hinter dem Komma versehen wird, kommt einem Rosstäuschertrick ähnlich. Das ASTRA beschreibt das dann so:
Im Klartext: Bis im Jahr 2015 wurden aufgrund einer ungenauen Messmethode das Verkehrsaufkommen um 4–5% zu hoch ausgewiesen. Sogar beim Eingeständnis der Fehlleistung klammert sich das ASTRA eisern an die Stellen hinter dem Komma.
Weiteres Beispiel: Messstellen. Das ASTRA verbreitet tatsächlich Zahlen über den Verkehr auf der A1 (auf eine Stelle hinter dem Komma genau) und tut gleichzeitig kund:
Im Klartext: Man operiert mit Kennzahlen (auf eine Stelle hinter dem Komma genau), obschon die Messapparate an Schlüsselstellen seit Jahren kaputt oder wegen Bauarbeiten nicht in Betrieb sind. Was das taugt? – Nichts.
Aber halt! Die Verkehrsingenieure wissen mit solchen Mängeln pragmatisch um zu gehen. Das Zauberwort heisst: PLAUSIBILISIEREN. Wiederum: Auf eine Stelle hinter dem Komma genau:
«Täglich werden die auf Stunden aggregierten Verkehrswerte von den Zählstellen zur zentralen Verkehrsdatenbank VMON des ASTRA übertragen. Dort werden die Daten plausibilisiert und daraus abgeleitete Kennzahlen publiziert (www.verkehrsdaten.ch).» Quelle: Rosenthal und Partner AG
Weiteres Beispiel: Das Astra verbreitet Zahlen über sogenannte «Stautage» und erklärt uns, was es damit meint:
Im Klartext: Egal ob ein einmaliger 5‑minütiger Stau (oder sogar bloss stockender Kolonnenverkehr) oder stundenlanger, wiederholter Stop-and-go-Verkehr – beides wird vom ASTRA unter «Stautag» subsumiert. Da wird eine Kategorie geschaffen, die Kraut und Rüben enthält und vermeintlich «beweist», dass die halbe motorisierte Schweiz täglich permanent im Stau steht.
Werden wenigstens die «Staustunden» (eine weitere ASTRA-Kategorie) präzise definiert und erfasst? Fehlanzeige. Auch das haben die ASTRA-Leute nicht im Griff: Der Einfachheit halber werfen sie nämlich Stau und Kolonnenverkehr in den selben Topf. Die Quellen: Polizeibeobachtungen, Viasuisse-Verkehrsmeldungen, private Staumelder – ein Jekami: alles kommt in die Datenwurst und wird plausibilisiert.
Im ganzen Bericht: Wohin man schaut, wird mit Grundlagendaten operiert, für die man keine harten Fakten hat. Das Material ist plausibilisierbar und wird folglich plausibilisiert.
Das ist die Basis, auf welcher im Schweizerland Verkehrsprognosen erstellt werden: Im Quadrat plausibilisierte Zahlenakrobatik.
Und nun soll aufgrund dieser Zahlenakrobatik der Bau eines A5-Westasts begründet oder verworfen werden…
Im Raum Biel messen ASTRA und Kanton den Verkehr an diesen Stellen:
Wir sind gespannt, welche Qualität die Verkehrsmessungen aufweisen, die dem Runden Tisch A5-Westast zur Verfügung stehen: Handelt es sich um aussagekräftige Hard Facts, oder einmal mehr um plausibilisierte Zahlen, auf eine Stelle hinter dem Komma genau.
Für den Dialogprozess und die Lösungsfindung ist es entscheiden, dass die beigezogenen Verkehrsexperten die Daten auf Herz und Nieren prüfen und nötigenfalls neue, aussagekräftige Daten über die aktuellen Verkehrsflüsse beschaffen lassen.
VERKEHR – ANDERS GEDACHT
Am kommenden Donnerstag, 4. Juli geht es in die dritte Runde am Runden Tisch in Sachen Westast: Die Mitglieder der sogenannten Dialoggruppe wollen an diesem Tag das Programm für die Lösungssuche festlegen.
Deshalb zum Wochenstart ein inspirierendes Video, das zeigt, wie sich eine Stadt entwickeln kann, wenn für einmal nicht aus der Lenkradperspektive geplant wird: In der niederländischen Stadt Houten hat man schon vor Jahrzehnten konsequent aufs Fahrrad gesetzt. Mit Erfolg, wie sich heute zeigt:
Auch wenn sich die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur von Houten nicht 1 : 1 auf die Situation in Biel und dem Seeland übertragen lässt: Einige «Rezepte» kann man durchaus übernehmen!
IN ALTERNATIVEN DENKEN

Regula Rytz gehört zu den erfahrendsten VerkehrspolitikerInnen hierzulande. Im Exklusivinterview mit Gabriela Neuhaus zeigt sie auf, was es braucht, um die Verkehrspolitik in nachhaltige Bahnen zu lenken. Von ihrem reichen Erfahrungsschatz könnte auch der Runde Tisch zum A5-Westast profitieren.
Regula Rytz, Präsidentin der Grünen Partei Schweiz, Nationalrätin und Ständeratskandidatin für den Kanton Bern, fordert ein radikales Umdenken in der Verkehrspolitik: «Wir müssen die Logik umdrehen und fragen: Wieviel Verkehr vertragen wir? Wieviel ist gut für unsere Gesundheit und unsere Lebensqualität? Wieviel können wir – rein physikalisch – überhaupt bewältigen? Was hat Platz, und was sind die Alternativen?»
Als langjährige Verkehrsdirektorin der Stadt Bern hat sie bewiesen, dass Alternativen zu den herkömmlichen Betonlösungen möglich sind. Was sie in Bern erprobt hat, würde auch in Biel funktionieren: «Das Rückgrat der Alternative zum Strassenbau ist der öffentliche Verkehr. Dieser muss über das Zentrum hinaus in der ganzen Region funktionieren, und er muss attraktiv sein. Ich bin ja im Verwaltungsrat der Verkehrsbetriebe Biel und finde es sehr schade, dass man das Regio-Tramprojekt aufs Eis legen musste. Ein Tram ist so leistungsfähig und attraktiv, dass auch Leute umsteigen, die zuvor nicht mit dem ÖV unterwegs waren.»
Sie ist beeindruckt vom Engagement der BielerInnen und unterstützt die Westast-Opposition. Zum Runden Tisch sagt Regula Rytz: «Für den Prozess ist es sicher sinnvoll, dass man noch einmal genau hinschaut, ob man etwas übersehen hat. Das gehört zu einer sorgfältigen Analyse. Ich würde aber dringend empfehlen, genügend Zeit und Denkkapazität in neue Lösungen zu investieren. Man darf nicht nur die Infrastrukturvarianten anschauen, sondern muss sich auch die Frage stellen: Gibt es Alternativen? Wie können wir das Geld, das für den Kapazitätsausbau reserviert wurde, für bessere Verkehrslösungen auf städtischer und regionaler Ebene einsetzen? In diesem Sinn sollte man den Fächer über eine blosse Beton-Variantendiskussion hinaus öffnen. Erst dann wird es wirklich spannend. Dabei ist es ganz wichtig, dass die Leute über die Gemeindegrenzen hinweg mitreden können.»
INNOVATIVE ANSÄTZE
FÜR DEN GÜTERVERKEHR
Ein Zulassungsverbot für fossil betriebene Lastwagen ab 2030 sowie ab 2035 ein Fahrverbot auf alpenquerenden Routen – eine entsprechende Volksinitiative könnte schon bald Realität werden, wie der Tagesanzeiger vom 6. Juni 2019 berichtet:
Dabei geht es in erster Linie um Umwelt- und Klimaschutz. Jon Pult, Präsident der Alpeninitiative und SP-Nationalrat begründet: «Geht es im Bundesrat und Parlament jetzt nicht rasch genug vorwärts, werden wir das Heft selber in die Hand nehmen.»
Bereits im letzten Dezember hatte der Verein Alpen-Initiative eine in ihrem Auftrag erstellte Studie publiziert, die zeigte, dass bei den Lastwagen in Sachen Reduktion der CO2-Emissionen seit 1990 wenig Fortschritte gemacht wurden. Schon damals forderte Jon Pult: «Es ist eine verpasste Chance, dass der Strassengüterverkehr bei der laufenden CO2-Gesetzesrevision im Parlament überhaupt kein Thema ist. Lastwagen dürfen nicht aus dem Gesetz ausgeklammert werden. Die Zeit drängt: Um die Klimaerwärmung zu stoppen und die Reduktionsziele des Pariser Abkommens zu erfüllen, müssen die Treibhausgasemissionen in allen Bereich reduziert werden.»
Mit der angekündigte Initiative liegt nun ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch. Nebst dem vorgeschlagenen Zulassungs- und Transitverbot für fossil betriebene Lastwagen, schlägt die Initiative auch bei der Schwerverkehrsabgabe (LSVA) Neuerungen vor: Ab 2020 soll die sich die LSVA nach dem Verursacherprinzip richten: Je grösser der CO2-Ausstoss eines Lastwagens ist, desto mehr muss er bezahlen.
Solche Innovationen kommen bei der Transportbranche nicht gut an. Sie liegen aber im Trend: Eine Abstufung der Lastwagensteuern nach CO2-Emissionen ist auch in der EU ein Thema. In Norwegen sollen schon ab 2025 keine Neuwagen mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden. Schweden und Dänemark peilen für 2030 ein Verbot für Diesel und Benziner an.
Mit dem angedachten Transitverbot für Diesel-Laster geht die Alpen-Initiative allerdings noch einen Schritt weiter. Doch sogar da könnte man den Faden noch weiter spinnen: Weshalb nur ein Fahrverbot im alpentraversierenden Verkehr? Auch die Städte und Dörfer im Mittelland könnten aufatmen, wenn künftige Gütertransporte auf der Strasse gestanksfrei und lärmarm erfolgten.
Das alles sind Denkanstösse, die in die richtige Richtung zeigen. Es lohnt sich, sie weiter zu verfolgen…
GESUCHT:
LASTWAGENKARAWANE
Seit die marode Wehrbrücke zwischen Brügg und Port für den Schwerverkehr gesperrt ist, schlagen die Nidauer Behörden Alarm: Die Stadt Nidau müsse nun einen Grossteil des umgeleiteten Schwerverkehrs aufnehmen, das Städtchen werde vom Verkehr geradezu überschwemmt.
Wie im Bieler Tagblatt vom 21. Mai zu lesen war, haben sich die Gemeinden Ipsach, Port, Brügg und Nidau beim Leiter des Runden Tischs erneut dafür stark gemacht, dass der Bau der neuen Brücke und des Porttunnels deshalb – restlicher Autobahn-Westast hin oder her – vorzuziehen sei.
Einmal mehr mit dem Hauptargument: «Stark betroffen ist die Stadt Nidau, welche den Grossteil des Schwerverkehrs aufnehmen muss.»
Wer sich allerdings vor Ort umschaut und umhört, erhält ein anderes Bild: Der Verkehr in Nidau scheint sich nicht gross verändert zu haben. Bei einer kleinen, nicht repräsentativen Umfrage bestätigt denn auch niemand die Behauptung, dass der Lastwagenverkehr seit der Teil-Sperrung der Wehrbrücke zugenommen habe. «Ich arbeite in Nidau und habe keine Veränderung bemerkt» oder «Ich bin oft in Nidau entlang der Hauptstrasse unterwegs, mir ist nichts aufgefallen», sind Antworten von BewohnerInnen und PendlerInnen auf die Frage nach der angeblich unhaltbaren Verkehrssituation.
Freundlicherweise hat die Gemeinde auf dem Schlossturm eine Webcam installiert. Mit wunderbarem Blick auf die Hauptstrasse. Alle 60 Sekunden liefert sie ein aktuelles Bild zur Verkehrssituation.
Also machen wir die Probe aufs Exempel: Während Stunden haben wir die Webcam aufgeschaltet. Und warten auf die Lastwagenkarawane.
Doch was wir sehen: Nur wenig Verkehr, sogar während der sogenannten Stosszeiten am Morgen, über Mittag und am Feierabend. Regelmässig ein Bus, hie und da ein Lieferwagen. Aber wo bleiben die berüchtigten 40-Tönner?
Ist die Webcam etwa mit einem Lastwagenfilter versehen?
Da, endlich taucht einer auf! Ob er früher den Weg über die Wehrbrücke genommen hätte, lässt sich leider nicht sagen.
Und wieder: Warten, warten, warten auf das nächste Bild mit 40t-LKW. An einem ganz gewöhnlichen Werktag Vormittag.
Wie so manches im Zusammenhang mit dem A5-Westast: Statt zuverlässig Daten zu erheben, behaupten viele AutobahnbefürworterInnen frisch drauf los, was in der Realität einfach nicht stimmt. Endloser Stau hier, grausamer Stau dort…
Oder eben: Unhaltbarer, überbordender Lastwagenverkehr im Städtchen Nidau, seit der Teilsperrung der Wehrbrücke. Eine Mär. Die einzig und allein erfunden wurde, um im Westast-Disput vollendete Tatsachen zugunsten des umstrittenen Ausführungsprojekts zu schaffen.
BYPASS A5-WESTAST:
NEIN DANKE!
Das linke Bielerseeufer gehört zu den geschützten Landschaften der Schweiz. Die Linienführung der A5 entlang dem See und durch die Rebberge war ein Fehlentscheid – darüber sind sich heute alle einig.
Der Transitverkehr schadet den Menschen und der fragilen Umwelt in den Winzerdörferna am Jurasüdfuss.
Der Bau des Westasts hätte zur Folge, dass noch mehr Autos und Lastwagen diese Route wählen, was die Situation drastisch verschärfen würde…
ANGSTHASEN UND
BEVORMUNDER
Wie leider nicht anders zu erwarten, ist das Bieler Parlament samt Stadtregierung eingeknickt. Wortreich wurde gestern Abend der Bieler Bevölkerung die Möglichkeit verweigert, ein für alle Mal dem unsinnigen A5-Ausführungsprojekt den Todesstoss zu versetzen. Grosszügig hat das Mäuslein darauf verzichtet, den Elefanten anzugreifen.
Deshalb gibt es für die Menschen in der Stadt Biel/Bienne nur eines:
- kurzfristig: Biel/Bienne muss wieder laut werden auf – auf der Strasse
- mittelfristig: an der Wahlurne mutige VolksvertreterInnen wählen und keine Mäuslein und Angsthasen.
Zum Beispiel Regula Rytz in den Ständerat.
DIE STAUSCHLAUMEIER
VOM ASTRA
Der Runde Tisch zum A5-Westast soll eine faktenbasierte Auslegeordnung zur heutigen und künftigen Verkehrssituation in der Region Seeland liefern. So weit, so gut.
Es ist zu hoffen, dass die geballte Expertenpower, die am Runden Tisch zum Einsatz kommen soll (Budget über 1 Million CHF), aufräumt mit gewissen Zahlen, die herumgeboten werden. Beispielsweise, wenn sie vom ASTRA kommen und von den Medien gerne und ungeprüft übernommen werden.
Zu was taugen Zahlen zur Stau-Erfassung, wenn das ASTRA, ohne rot zu werden, erklärt:
«Bei der Stauerfassung wird in der VSS-Norm SN 671 921 zwischen Verkehrssituationen mit «Stau» oder «stockendem Verkehr» unterschieden. Im Staubericht werden dagegen beide erfassten Zustände als «Stau» bezeichnet, da die für eine genaue Unterscheidung notwendigen netzweiten dynamischen Verkehrs- und Geschwindigkeitsdaten heute noch nicht verfügbar sind. Die Anzahl Staustunden ist die Dauer der Staus von deren Beginn bis zu deren Auflösung in Stunden.»* |
Wie bitte???
Stockender Verkehr wird also einfach dem Stau zugerechnet. Das muss man wirklich zweimal lesen. So wird «Zahlenmaterial» zu Propaganda verwandelt.
Sollte der Runde Tisch sich auf solche Fak(e)ten stützen, sägt er sich die Beine ab, auf denen er steht. Sein «Ergebnis» würde nicht akzeptiert werden und verkäme zu teurer Makulatur.
* https://www.astra.admin.ch/astra/de/home/themen/nationalstrassen/verkehrsfluss-stauaufkommen/definitionen
Die Probe aufs Exempel:
Wie aus stockendem Verkehr «statistischer» STAU gemacht wird:
Noch mehr über ASTRA-Zahlenakrobatik: hier lesen und staunen
OFFIZIELL UND INOFFIZIELL
Was sagt die Bieler Regierung offiziell?
BUNTE EINIGKEIT
Die Vielfalt der Westastopposition ist ihre Stärke
Die Spatzen pfeifen es von den Bieler Dächern: Die Westast-Opposition sei sich nicht einig. Und es gibt Journalisten, die gar einen Streit herbeipfeifen wollen. Ein aufgeregtes Gezwitscher, das völlig aus der Luft gegriffen ist und an den Realitäten vorbeizielt.
Im Gegensatz zum Westast-JA-Lager, das eine simple Message vertritt («baldmöglichste Umsetzung des Ausführungsprojekts»), gibt es auf Seiten der Gegnerschaft eine interessante Vielfalt von Ideen, Vorschlägen und Varianten.
Das liegt in der Natur der Sache: Seit Jahren beschäftigen sich viele aus der Westast-Opposition mit der Suche nach Alternativen. Es ist eindrücklich, wie viele Ideen, wie viel Kreativität in den letzten Jahren freigesetzt worden ist – immer mit dem gleichen Ziel: Die drohende Stadtzerstörung zu verhindern und andere, zukunftsfähige Lösungswege aufzuzeigen.
Gerade in dieser Vielfalt, liegt die Stärke der Opposition: Sie bringt eine breite Palette von Kompetenzen in den Dialogprozess. Es braucht die Vielstimmigkeit der verschiedenen Gruppierungen für den von Regierungsrat Neuhaus angestossenen «ergebnisoffenen Dialog». Wer diese Vielfalt wegdiskutieren will, kann sich geradesogut mit zwei Leuten – einmal pro, einmal kontra – an den Runden Tisch setzen.
Am Runden Tisch sind aber 13 Organisationen vertreten:
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- Berner Heimatschutz
- Fussverkehr Kanton Bern
- IG Häb Sorg zur Stadt
- Komitee «Biel notre Amour»
- Komitee «Westast so nicht»
- Verein «Biel wird laut»
- Verein «Gruppe S»
- Verein LQV – Lebensqualität
- Pro Natura
- Pro Velo
- Stiftung Landschaftsschutz Schweiz
- VCS Bern
- WWF Bern
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Diese alphabetische Aufzählung zeigt: Die Gegnerschaft ist breit aufgestellt. Es versteht sich von selber, dass eine national tätige Schutzorganisation andere Prioritäten setzt als ein Quartierverein. In einem Punkt sind sie sich aber zu hundert Prozent einig: Sie werden nie Hand bieten zu den zwei offenen Autobahnschneisen mitten in der Stadt.
Klarheit und Vielfalt sind gewollt für einen Runden Tisch, der nicht eine Alibiübung darstellen soll: Jede Gruppierung bringt ihre Facetten, ihre Stärken in den Dialog. Es braucht sie alle, um die Breite der Opposition gegen das Ausführungsprojekt zu widerspiegeln. Damit ist die Basis für eine echte Partizipation der Bevölkerung gelegt.
All jene, die immer wieder versuchen, einen Streit in der Gegnerschaft herbeizureden oder zu ‑schreiben müssen wir deshalb enttäuschen: Der Kampf gegen die drohende Stadtzerstörung wird in bunter Einigkeit und mit voller Kraft geführt. Auch in Zukunft. Wenn die PRO-Westast-Anhänger keine anderen Argumente beibringen können, als der Opposition Uneinigkeit anzudichten, dann ist es gut möglich, dass der A5-Westast hochkant vom Runden Tisch fliegen wird.

WIRTSCHAFT
GEGEN A5-WESTAST
Nun melden sich mehr und mehr Westast-GegnerInnen aus der Wirtschaft zu Wort! Zwar haben sich bereits in der Vergangenheit vereinzelt UnternehmerInnen und WirtschaftsführerInnen gegen das veraltete und viel zu teure Autobahnprojekt ausgesprochen. Allen voran Michel Muller, CEO der Muller Machines SA, deren einmaliges Maschinenmuseum dem Westast weichen müsste.
Nachdem nun aber die Wirtschaftsverbände HIV Kanton Bern, KMU Bern und WIBS Ende letzten Jahres eine vollmundige Kampagne Pro-Westast lanciert hatten, gibt es nun massive Kritik an diesem Vorgehen – und eine Gegenkampagne:
So schreibt WIBS-Gründungsmitglied Lukas Weiss in seinem Leserbrief im «Biel-Bienne»: «Ich bin entsetzt, mit welcher Dreistigkeit dieses wichtige lokale Forum als Plattform für eine einseitig geführte Kampagne missbraucht wird. Als Mitglied der WIBS wurde ich nie zu meiner Meinung zum Westast befragt.»
Auch der ehemalige HIV-Präsident und CEO der Biella AG, Rudolf Bürgi, spricht im Interview mit Mario Cortesi Klartext: «Der wirtschaftliche Nutzen dieser 2,2 Miliarden Franken-Investition ist nicht belegt. Es ist befremdend, dass die Befürworter darauf drängen, die bereitgestellte Investitionssumme jetzt auszugeben.»
VertreterInnen der Wirtschaft haben nun, in Zusammenarbeit mit dem Komitee «Westast so nicht!» ihrerseits eine Inseratenkampagne gestartet, um ihre Opposition gegen das Ausführungsprojekt und das Vorgehen der Wirtschaftsverbände publik zu machen.
VON WEGEN:
«DA KANN MAN NICHTS MACHEN»
Wer vor einem Jahr 2018 vorausgesagt hätte, dass der neue Berner Baudirektor Christoph Neuhaus dereinst zum runden Tisch in Sachen Westast einladen würde, wäre als Spinner ausgelacht worden. Noch weniger hätte man geglaubt, dass Erich Fehr, Bieler Stadtpräsident und langjähriger Westastpromotor, eine 180-Grad-Pirouette hinlegt und für 2019 die Prüfung einer Seelandtangente fordert.
In der Vergangenheit waren genau diese Vorschläge aus der Bevölkerung immer ins Leere gelaufen. Vom Kanton und den Gemeindebehörden hörte man stets das gleiche Mantra: Am vorliegenden Westast-Projekt sei nicht mehr zu rütteln. Es sei die beste Lösung, baureif und wichtig.
Noch ist das offizielle Westast-Projekt nicht gebodigt. Die neue Gesprächsbereitschaft und der Gesinnungswandel der Exekutivpolitiker zeigen aber deutlich, dass Argumente, Widerstand und Engagement von Seiten der Bevölkerung etwas bewirken können. – Es hat lange gedauert, bis die «VolksvertreterInnen» es für nötig erachteten, ihre WählerInnen ernst zu nehmen. – Doch Anfang 2019 stehen die Chancen für eine zukunftsfähige Verkehrsentwicklung in der Region besser denn je.
Dies nicht zuletzt dank der unermüdlichen Informationsarbeit der Westast-KritikerInnen. Dank unzähliger Leserbriefe, Recherchen, Informations- und Diskussionsveranstaltungen, dank Demonstrationen gegen das Monsterprojekt oder Aktionen wie der Tavolata. Dieses Engagement führte schliesslich zum eindeutigen Resultat der Demoscope-Umfrage, die zeigt, dass gerade mal 21 Prozent der Bevölkerung in der Region noch hinter dem offiziellen Westastprojekt stehen.
Schon der Wechsel an der Spitze der Berner Baudirektion hatte Einiges in Bewegung gebracht: Im Gegensatz zu seiner Vorgängerin Barbara Egger stellt sich Baudirektor Christoph Neuhaus immerhin der Diskussion. Und auch im Bundeshaus weht ein frischer Wind: Mit der neuen Departementschefin Simonetta Sommaruga an der Spitze des Uvek stehen die Zeichen besser für das Aushandeln von neuen, umweltfreundlicheren und zukunftsfähigeren Verkehrslösungen.
Jetzt gilt es, mit dem 2018 in Bewegung gekommenen Schwung das aktuelle Westast-Ausführungsprojekt in den nächsten Monaten definitiv in der Versenkung verschwinden zu lassen. Es ist höchste Zeit, dass Biel und Nidau ihre Zukunft anpacken können, ohne dauernd mit dem Damoklesschwert der Stadtzerstörung rechnen zu müssen.
Trotz der bisherigen Erfolge im Kampf gegen den Westast darf nämlich nicht vergessen werden: Das Autobahnprojekt hat bereits jetzt viel Schaden angerichtet.
So sind auch 2018 wieder zahlreiche Menschen, die in vom Westast bedrohten Liegenschaften wohnten, aus ihrem geliebten Daheim fortgezogen. Sie haben die nun seit über 20 Jahren andauernde Unsicherheit nicht mehr ausgehalten. Manche haben ihre Häuser dem Kanton abgetreten, weil Investitionen in die Liegenschaft unter dem Enteignungsbann nicht abgegolten werden. Resignation und Stagnation machen sich in lebenswerten Quartieren an bester Lage breit. Dem kann nur ein rascher Westast-Übungsabbruch ein Ende setzen. Auf dass es am 1. Januar 2021 heisst: Biel und Nidau definitiv westastfrei.
FEHR: SEELANDTANGENTE
MUSS GEPRÜFT WERDEN!
«Es ist wichtig, den Mut zu haben, Richtungsänderungen vorzunehmen, wenn man sieht, dass frühere Entscheide nicht mehr den Bedürfnissen von heute und vielleicht noch weniger jenen von morgen entsprechen.» Mit diesen Worten lässt sich Stadtpräsident Fehr im BT-Samstagsinterview vom 29.12.2018 zitieren.
Nach monatelangem Schweigen und Lavieren von Seiten der Bieler Stadtregierung reibt man sich erst einmal die Augen: Da hat sich einer bewegt und spricht Klartext! Das lässt hoffen, für die geplanten Diskussionen…
Im Hinblick auf den von Regierungspräsident Christoph Neuhaus angekündigten «runden Tisch» stellt der Bieler Stadtpräsident nämlich klar: «Es muss mehr gemacht werden als nur ein Variantenvergleich zwischen offiziellem Projekt und «Westast – so besser». Ich gehe nicht davon aus, dass die Alternatividee in dieser Form tatsächlich einmal gebaut wird. Es gibt Themen wie die Seelandtangente. (…)
Die Seelandtangente würde den Verkehr grossräumig anders lenken. Das Hauptproblem ist historisch bedingt: Die Nationalstrasse dritter Klasse führt am Nordufer des Bielersees entlang, wo sie eigentlich gar keinen Platz hat. Deshalb muss der Verkehr durch das besiedelte Gebiet Biels dorthin gelenkt werden. Es muss nun geklärt werden, ob es nicht andere Möglichkeiten gibt.»
Das gesamte, äusserst lesenswerte BT-Samstagsinterview vom 29. Dezember 2018 – klicken und lesen
DIE RICHTIGE FRAGE STELLEN
Nicht immer führen Umfragen zum erwarteten Resultat. So dürften sich die Westast-Befürworter nach der Demoscope-Umfrage die Augen gerieben haben: Gerade mal 21% der Befragten hatten sich für das Ausführungsprojekt mit den beiden innerstädtischen Anschlüssen ausgesprochen.
Damit hatte man ganz offensichtlich nicht gerechnet. Wie sonst ist zu erklären, dass die Präsentation der Umfrage-Resultate als Highlight einer Lobby-Veranstaltung gedacht war?
Nun, dieser Schuss ging nach hinten los. Seither werden Westast-Befürworter nicht müde, die Fragestellung in Frage zu stellen. Allerdings hat von ihnen noch keiner gesagt, wie denn anders hätte gefragt werden müssen…
Letztendlich geht es um eine einfache Frage, die lautet: Ausführungsprojekt ja oder nein? Punkt. Schluss.
Diese Frage könnte demnächst nicht per Telefon, sondern via Stimmzettel beantwortet werden. Stadtratspräsidentin Ruth Tennenbaum und vier weitere Mitglieder des Stadtrats verlangen nämlich mit einer dringlichen Motion, die sie im November eingereicht haben, eine möglichst baldige Konsultativabstimmung über den Westast.
Diese Abstimmung hätte zwar für die Autobahnbauer keine bindende Wirkung. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass weder das ASTRA noch der Kanton gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit vorgehen wird.
Umso wichtiger ist, dass die Frage bei der Konsultativabstimmung eindeutig und richtig gestellt wird. Kein Wunschkonzert mit der Auswahl «WESTASToffiziell» oder «WESTAST-so-besser» oder «WESTASTvariante XYZ». Bevor man über irgendwelche anderen Varianten diskutieren kann, braucht es einen klaren Grundsatzentscheid. Beim zu erwartenden Nein liegt der Ball wieder bei der Politik, die – in Zusammenarbeit mit der interessierten Bevölkerung – zeitgemässe, akzeptable Konzepte präsentieren soll.
Die Frage bei einer allfälligen Konsultativabstimmung lautet daher klar und simpel: Wollt ihr das Ausführungsprojekt «A5-Westumfahrung Biel» – JA oder NEIN?
STÖCKLIS WAHLPROPAGANDA
UND DER SÜDAST
Der Wahlkampf hat begonnen! Und weil Ständerat Hans Stöckli unbedingt noch einmal ins Stöckli will, schlägt er neue Töne an. Im Samstags-Interview vom 1.12.2018 mit dem Bieler Tagblatt äussert er ein gewisses Verständnis für die siegreichen GegnerInnen von Olympia Sion2026 – um gleichzeitig klarzustellen, dass man da ein tolles Projekt bachab geschickt habe.
Ähnlich sind seine neuesten Töne zum A5-Westast zu gewichten: Er rudert nun rhetorisch leicht zurück und betont – immer noch auf der Linie der Westast-Befürworter – er sei froh, «dass gewichtige Teile unseres Vorschlags auch von den Westast-Gegnern nicht in Frage gestellt werden.» Der alte Politfuchs weiss genau: Sein bisher praktiziertes Schweigen oder gar eine öffentliche Verteidigung der innerstädtischen Anschlüsse würden ihm in der Region zu viele Stimmen kosten.
Auf die Frage, ob die Zentrumsanschlüsse in seinen Augen die richtige Lösung seien, gibt er einfach keine Antwort. Vor acht Jahren sei man zum Schluss gekommen, dass es diese Anschlüsse brauche, um das System des innerstädtischen Verkehrs spürbar zu entlasten. Nun seien auf allen Stufen neue Personen im Amt – an ihnen sei es, zu entscheiden.
Immerhin ringt sich Stöckli zum Statement durch, Bund und Kanton seien nun gut beraten, «wenn die Alternativvorschläge in einem strukturierten Prozess durch unabhängige Fachleute mit der offiziellen Ausführungsplanung vorurteilslos verglichen würden. Dann käme man vielleicht einen gewichtigen Schritt weiter.»
Bemerkenswert: Stöckli spricht von Alternativvorschlägen – in der Mehrzahl. Das ist richtig und wichtig: Das Ausführungsprojekt bloss mit der Westast-so-nicht-Variante zu vergleichen greift viel zu kurz. Weil längst zahlreiche weitere prüfenswerte Varianten und Visionen auf dem Tisch liegen.
Zum Beispiel die Variante «Südast» von Romano Rondelli. Der Bieler Architekt befasst sich schon sehr lange mit dem Thema und hat seine Überlegungen in der Vergangenheit auch bereits verschiedentlich in Leserbriefen publiziert. Jetzt hat er seine Pläne weiter verfeinert: «Ich habe mir nun die Mühe genommen, eine Skizze einer Bielersee-Südvariante anzufertigen, damit sich auch ’normale› Menschen so ein Szenario vorstellen können.»
Diese Vorprojekt-Pläne hat der Architekt im Juni 2018 dem Tiefbauamt und Regierungsrat Neuhaus (nach vorgängiger telefonischer Absprache) direkt zugestellt. – Da ruhen sie nun, wie viele andere Vorschläge von Fachleuten. Bis dato hat Rondelli von Regierungspräsident Neuhaus nichts mehr gehört…
Nun präsentiert Romano Rondelli seine Pläne hier erstmals einer breiteren Öffentlichkeit.
Alle Pläne sowie weiterführende Kommentare unter:
OSTAST SCHAFFT WESTAST AB
Ende Oktober 2018 wurden die Resultate der Verkehrszählungen, die seit der Ostast-Eröffnung erhoben wurden, publik. Sie bestätigen, was BeobachterInnen schon lange festgestellt haben: Das prognostizierte Verkehrschaos im Bereich der geplanten Westast-Autobahn ist ausgeblieben.
Mehr noch: Statt der angedrohten Mehrbelastung hat sogar auf dem Guido-Müller-Platz, auf der Ländtestrasse oder im Stedtli Nidau die Zahl der an einem durchschnittlichen Werktag gezählten Fahrzeuge abgenommen, wie der heute im Bieler Tagblatt publizierten Tabelle zu entnehmen ist.
Daraus ziehen wir zwei Schlüsse:
1. Die vor der Ostast-Eröffnung erstellten Verkehrsprognosen waren daneben: Die von den Autobahnbefürwortern heraufbeschworenen Chaos-Szenarien sind ausgeblieben. Das den Berechnungen zugrunde liegende Modell geht von falschen Annahmen aus. Mit dem gleichen Modell soll auch der Bau des Westasts gerechtfertigt werden.
2. Der Westast ist definitiv überflüssig – in der Region Biel braucht es keine weiteren Strassenkapazitäten. Die Verkehrssituation kann und muss weiter optimiert werden durch die Umsetzung der noch ausstehenden flankierenden Massnahmen sowie weiterer Lenkungsmassnahmen und Verbesserungen beim ÖV und für den Fuss- und Veloverkehr.
Nicht nur Biel, auch die umliegenden Gemeinden profitieren langfristig von einem Verzicht auf den Westast! Eine zukunftsfähige Entwicklung der Region trägt der Landschaft Sorge. Denn fest steht: Der Ostast bringt zwar Entlastung für die Stadt und darüber hinaus – doch schön und menschenfreundlich ist auch dieses Infrastrukturbauwerk nicht. Dazu Marc Meichtry, Gemeindepräsident von Brügg gegenüber dem Bieler Tagblatt: «Wenn man dem Brügger Waldrand entlang spaziert, dann sieht man den massiven Einschnitt in die Natur. Bis weit in den Wald hinein ist das Rauschen der Autobahn zu hören.»
Deshalb gilt es nun mit allen Mitteln, den unnötigen, zerstörerischen Westast zu verhindern!
ÜBUNGSABBRUCH!
In ihrer Medienmitteilung vom 8. Oktober 2018 bringt es die SL auf den Punkt: «Die amtliche Westast-Variante ist in grossen Teilen der Bevölkerung nicht akzeptiert und aus Umweltsicht auch nicht bewilligungsfähig.» Sie schlägt deshalb vor, «ein ‹Reset› in Form einer partizipativen, zukunftsgerichteten Verkehrsplanung zu starten, die der Bevölkerung und dem Stadtbild gerechter wird.»
KÄMPFEN LOHNT SICH!
Marc Meichtry, Gemeindepräsident von Brügg, wurde vor vier Jahren nicht zuletzt dank seines langjährigen Engagements gegen das erste Ostastprojekt gewählt. Zur Erinnerung: Die ursprünglich im Brüggmoos geplanten Autobahnanschlussbauten waren noch wesentlich grösser dimensioniert und hätten die betroffenen Gemeinden noch viel stärker beeinträchtigt, als dies mit dem heutigen, auch nicht gerade diskreten, Bauwerk der Fall ist.
«Wir haben Unterschriften gesammelt. Als wir Einsprache eingelegt haben, war die Ausgangslage die gleiche wie jetzt beim Westast. Das Ausführungsprojekt lag bereits auf, als wir sagten: so nicht. Und dann wurde es neu geplant», berichtet Meichtry im heutigen Bieler Tagblatt und ermutigt die WestastgegnerInnen: «Es ist nie zu spät. Was da in Biel geplant ist, ist genauso überdimensioniert, wie das Projekt damals in Brügg.»
Das vollständige Interview im Bieler Tagblatt:
BIEL WAR WIEDER LAUT!
Anlässlich der Medienpräsentation protestierten rund 350 Menschen lautstark vor dem Eingang des Kongresshauses gegen den einseitigen «Vergleich» zugunsten des Ausführungsprojekts für den A5-Westast durch Biel.
Immerhin: Am Schluss der Veranstaltung zeigte sich Regierungsrat Christoph Neuhaus gesprächsbereit – und stellte sich der Diskussion mit den besorgten Bürgerinnen und Bürgern. Es bleibt zu hoffen, dass dies ein erster Schritt war – und das Ganze nicht als Alibiübung versandet…
klick den Film! CONCERTO FÜR REGIERUNGSRAT NEUHAUS
DIE PROTESTSONGS
GEGEN DAS AUTOBAHNPROJEKT
Zwei Songs, eine Message: Vor einer Woche die Uraufführung an der TAVOLATA STOPP WESTAST – und nun auch zum Nachhören und Mitsingen: Jetzt hat die Widerstandtsbewegung gegen die Westastautobahn auch zwei Protestlieder!
Wir durften die beiden Konzerte von Los Hermanos Perdidos und Studeyeah mitschneiden – hier das Resultat:
Los Hermanos Perdidos kleideten mit ihrem neuen Song «Keni Autos ir Stadt» den Protest gegen die Dominanz des motorisierten Verkehrs in mitreissende Musik. Und Studeyeah präsentierten mit «Westast so nicht – Nullvariante» ebenfalls einen Protestsong mit Hitpotenzial…
ASTRA ÜBERHOLT SATIRE!
Ob’s an der Hitze liegt? – In der NZZ am Sonntag vom 29. Juli, und als saure Gurke sofort von allen Medien dankbar aufgenommen: «Bund prüft doppelstöckige Autobahnen».
Der Grund: Laut Astra-Direktor Jürg Röthlisberger leiden AutofahrerInnen in der Schweiz unter zu viel Stau, ihre Geduld werde über Gebühren strapaziert. Laut Statistik gab es 2017 auf Schweizer Autobahnen insgesamt 26’000 Staustunden. Bricht man diese grosse Zahl jedoch auf die 6,1 in der Schweiz immatrikulierten Motorfahrzeuge hinunter, ergibt sich pro Fahrzeug gerade noch eine Stauzeit von 15,34 Sekunden – pro Jahr!
Doch Röthlisberger sorgt sich um seine Kundschaft und führt ins Feld, auch AutofahrerInnen hätten – gleich wie BahnfahrerInnen – ein «Anrecht auf verlässliche Verbindungen».
Deshalb sollen in nicht allzu ferner Zukunft weitere Strassenkapazitäten geschaffen werden. Etwa mit dem Bau einer vierten(!) Röhre am Baregg – womit das Astra die wildesten Vorstellungen der Satiriker rechts überholt!
Allerdings weiss Röthlisberger sogar diese Gedankenspiele noch zu toppen: Mit der Aussicht auf einen neuen Tunnel mitten durchs Mittelland – und eben der eingangs erwähnten doppelstöckigen Verkehrsführung durchs Limmattal…
NACHTRAG:
Der Autobahn-Ausbauwahn des Astra-Direktors sorgt auch am Folgetag der Interview-Publikation für Schlagzeilen. Tamedia-Bundeshausredaktor Markus Brotschi kontert in seinem lesenswerten Kommentar mit den Worten: «Wer breitere Strassen baut, erntet noch mehr Verkehr» und weist darauf hin, dass die Antwort auf den Mobilitätsdrang nicht nur Beton sein könne…
Der Kommentar im TA vom 30.7.2018:
INTERVIEW MIT KURT ROHNER:
GROSSE RESONANZ
«Meine Idee löst im Seeland drei Probleme», wurde der Bieler Architekt und Raumplaner Kurt Rohner im Samstagsinterview vom 7. Juli im Bieler Tagblatt zitiert.
Seit über einem Jahr wird der Doyen der Raumplanung im Seeland nicht müde, einen runden Tisch zu fordern, um die Verkehrszukunft der Region neu zu diskutieren. Seit Jahren denkt und plant Kurt Rohner zudem an Alternativen zum stadtzerstörerischen Westast… Gut, dass seine Stimme nun endlich auch vom Bieler Tagblatt gehört und weiter verbreitet wurde!
Viele haben das Interview gelesen – letzte Woche war es in Biel immer wieder Gesprächsthema. Davon zeugt auch der heutige Leserbrief von Hans Erb, der auf interessante Aspekte hinweist.
So schreibt er unter anderem: «Es sieht also so aus, als ob vor allem die sich gerne selbst der Weitsicht rühmende Stöckli-Begleitkommission ihren Job lausig gemacht hat, und nicht die Planer. Die dürften nüämlich einfach geplant haben, was man ihnen auf Basis von 60er Jahre-Ideen vorgegeben hat.»
Und weiter: «Auch Rohners Alternativen zur Verkehrsfürung Seevorstadt – Brüggmoss sowie seine ‹kleine Seelandtangente› verdienen es, nochmals geprüft zu werden. ‹Das dauert vil zu lange und ist viel zu teuer› wird dann gerne als Argument vorgebracht. Echt jetzt? Meiner Meinung nach ist kein Preis zu hoch und keine Dauer zu lang, um Rohners im Interview geäussertes Motto ‹Gutes erhalten, Verbesserbares verbessern, Irreversibles möglichst verhindern› zu berücksichtigen.»
Der Leserbrief vom 16.7.2018:
Jura-Verkehrskorrektion
Jetzt!
Massnahme Nr. 1
Ab 1.1.2020:
Fahrverbot für Transit-Schwerverkehr über 7.5 Tonnen auf der A5 zwischen Thielle und Stadtgrenze Biel.
Massnahme Nr. 2
Fertigstellung Autobahnverbindung A5-A1 zwischen Thielle und Kerzers bis Ende 2028.
Massnahme Nr. 3
Rückklassierung und Rückbau A5 zwischen Thielle und Biel. Auf dem modernisierten Trassee: Einrichtung der gesamtschweizerisch ersten Teststrecke für selbstfahrende Elektrofahrzeuge bis 2023.
745 BÄUME
WOLLEN DIE FÄLLEN…

LINK zu den Baumaktionen vom Juni 2016
VEREIN
«NETZWERK BIELERSEE»
GEGEN A5-WESTAST
Zur Auffrischung: es gibt 100 gute Gründe gegen das Autobahnprojekt aus dem letzten Jahrhundert. Hier die Argumente des Vereins «Netzwerk Bielersee».
aus dem Positionspapier der Grünliberalen Biel/Bienne:
A5-WESTAST
Die Grünliberalen sind
grundsätzlich der Ansicht,
dass auf den A5-Westast
verzichtet werden sollte.
Stattdessen soll entweder eine unterirdische Nordumfahrung der Stadt Biel oder eine Variante mit kompletter Streckenführung am Südufer angestrebt werden.
Die Strassenführung am nördlichen Seeufer soll zweispurig umgesetzt werden. Das Gebiet am Südufer soll mittels Porttunel erschlossen werden.
Das Problem mit dem innerstädtischen Verkehr soll nicht mit einer Umfahrung, sondern mit geeigneten Lenkungsmassnahmen wie Park-and-Ride oder einer gezielten Reduktion der Parkplätze gelöst werden.
Die vom Bund angestrebte Lösung, der Westast, birgt schwerwiegende Einbussen der Lebensqualität in Wohnquartieren.
Durch die grosse Anzahl an Anschlüssen im Stadtgebiet wird das Stadtbild unwiederbringlich zerstört. Aus technischer und stadtplanerischer Sicht sind Teile des Bienne-Centre Anschlusses im Raum Murtenstrasse/Guido-Müller-Platz kaum realisierbar. Falls der Westast dennoch beschlossen wird, unterstützen wir eine Variante mit unterirdischer Linienführung und zwei Halbanschlüsse (An der Bernstrasse in Richtung Bern und im Gebiet Seevorstadt in Richtung Neuchâtel).