WESTASTGEBIET

WESTASTGEBIET

 

 

LABIU VOR DEM DEFINITIVEN ENDE?

Was die Stadt schon vor Wochen angedroht hat, soll schon bald gewaltvoll umgesetzt werden: Ende April publizierte die Stadt Biel im Amtlichen Anzeiger unter der Nr. 25’212 ein brisantes «Baugesuch».

Das Bauvorhaben: «Abbruch der bestehenden Gebäude» – Standort: Wydenauweg 38/40 – Parzelle Nr. 2731,

Im Klartext: Das Labiu soll nun also schnellstmöglich dem Erdboden gleichgemacht werden. Dies, obschon die Bewohenr:innen während Monaten versucht hatten, der Stadt eine konstruktive Lösung anzubieten um aus eigener Kraft und mit eigenen Mitteln die Liegenschaft wieder sicher bewohnbar zu machen.

Die Stadtoberen wollten davon nichts mehr wissen: Nach dem Westast-Aus will man nun ganz offensichtlich dem alternativen Wohn- und Lebensprojekt Labiu ebenfalls den Stecker ziehen. 15 Jahre, nachdem eine Gruppe von Besetzer:innen mit ihrer Aktion das Haus vor dem Abriss gerettet hatten, droht nun erneut dessen Ende.

Schon 2007 wollte der Kanton, der die Liegenschaft im Hinblick auf den Westastbau erworben hatte, das Gebäude plattmachen und als Parkplatz zwischennutzen. Mit Unterstützung der Bieler Grünen und SP gelang es damals, statt der Parkplätze ein eimaliges Wohn- und Lebensexperiment auf die Beine zu stellen, das sich bis heute entwickelt und bewährt hat.

Doch in der grün-roten Stadt Biel weht offenbar heute ein anderer Wind: Die Stadt machte bereits vor einem Monat deutlich, dass sie nicht länger bereit sei, sich für den Fortbestand des Labiu am Wydenauweg zu engagieren.

Damit macht sie den Weg frei für den Abriss des rund 120 Jahre alten Hauses, das ursprünglich als Unterkunft für Bahnarbeiter gebaut worden ist. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, dürfte die Parzelle, wo jetzt Miteinander und Kultur gelebt werden, nun also doch noch als Parkplatz enden.

Das Abbruchgesuch gestellt hat nämlich das Tiefbauamt des Kantons Bern, Abt. Nationalstrassen – es scheint immer noch die Hand über dem Grundstück zu halten. Dies, obschon es dafür keine Verwendung mehr hat. Wie der Presse zu entnehmen war, will der Kanton das Grundstück als Reserve für eine künftige «Standortkonzentration der Gymnasien» behalten – ein konkretes Projekt dazu sei jedoch noch nicht in der Pipeline.

Mit anderen Worten: Mit etwas Goodwill und Sensibilität für die lebendige Vielfalt der Stadt Biel, hätte man vorläufig auf dieses «Baugesuch» verzichten können…

 


WESTASTBEFREIT
NUN DROHT DER RAUSWURF

15 Jahre ist es her, seit das Kollektiv «Labiu» das Haus am Wydenauweg 40 besetzt und es damit vor dem sofortigen Abriss gerettet hat. Zur Erinnerung: Der Kanton hatte die Liegenschaft im Hinblick auf den geplanten Westast-Bau gekauft und wollte das sofort Haus platt machen, um auf der Parzelle Parkplätze als Zwischennutzung zu erstellen.

Mit Unterstützung der Bieler Grünen und der SP konnte der Kanton schliesslich dazu bewegt werden, das Parkplatz-Projekt aufzugeben. Seither fungiert die Stadt Biel als Mieterin der Liegenschaft, die sie an Vertreterinnen des Kollektivs «Labiu» untervermietet. 

In den letzten 14 Jahren hat sich das «Labiu» zu einem wichtigen Ort und einer Institution entwickelt, die fest zum Bieler Kulturleben gehört. Es bietet nicht nur günstigen Wohn- und Lebensraum für die 15 Mieterinnen und Mieter, die hier leben – hier wird auch gemeinschaftlich gekocht, gegärtnert, repariert – im Bistro gibt es jeden Donnerstag eine köstliche Mahlzeit zu günstigem Preis, zudem betreibt das Kollektiv einen gratis Secondhand-Laden und lädt immer wieder Künstlerinnen und Künstler ein zu Konzerten oder Lesungen.…

Geht es nach dem Willen der Stadt Biel, soll damit Ende Juni definitiv Schluss sein: Das Kollektiv hat im Januar die Kündigung erhalten. Die Begründung: Das Haus sei nicht mehr sicher, die Sanierung zu teuer. 

Die Untermieter:innen wurden von der Stadt unvermittelt vor vollendete Tatsachen gestellt. Wie im Bieler Tagblatt vom 25. März 2022 nachzulesen ist, war und ist man auf Seiten der Behörden auch nicht bereit, auf das Angebot des Kollektivs, die notwendigen Sanierungsarbeiten selber zu finanzieren, einzutreten. Entsprechende Schlichtungsverhandlungen sind gescheitert. Lorenz Fellmann, der als Anwalt die Stadt vertritt, stellt klar, dass es am Wydenauweg wohl keine Hoffnung fürs «Labiu» mehr gebe. 

Die Parzelle soll laut Auskunft von Kantonsbaumeister Lorenz Held gegenüber dem BT künftig «für die Standortkonzentration der Bieler Gymnasien genutzt werden.» Zu den konkreten Absichten des Kantons gebe es zurzeit nicht mehr zu sagen, liess er verlauten. Mit anderen Worten: Das Grundstück dürfte vorläufig als Baulandreserve dienen, über ein Neubauprojekt wurde bisher nichts bekannt. 

Auch wenn die Liegenschaft am Wydenauweg 40 in einem schlechten Zustand ist und Sanierungsarbeiten dringend notwendig sind: Das kompromisslose Vorgehen und die Verweigerung jeglicher Kommunikation  von Seiten der Stadt sind inakzeptabel. Zumal die Leute von «Labiu» Möglichkeiten und Wege aufgezeigt haben, wie das Haus erhalten und vorläufig weiterbetrieben werden könnte – notabene ohne zusätzliche Mittel aus der Stadtkasse!

Der Verdacht liegt nahe, dass Kanton und Stadt nach dem Westast-Aus einen Vorwand gesucht haben, um das kreative Kollektiv, das manchen ein Dorn im Auge ist, schnellstmöglich trotzdem loszuwerden.

Eine Schande – und ein trauriger Rückschritt gegenüber der Situation vor 15 Jahren, als die Stadt bereit war, Hand zu bieten für das «Experiment Labiu». Es ist schlicht nicht nachvollziehbar, weshalb man diesem einmaligen Projekt ausgerechnet jetzt ohne Not den Stecker ziehen will.

 

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GUT FÜR DEN KANTON –
SCHLECHT FÜR DAS QUARTIER

Während die Stadt eine grosse PR-Sause für’s Bahnhofquartier plant, macht sich der Kanton daran, die für die Westastautobahn gekauften Immobilien im Mühlefeld- und Gurnigelquartier abzustossen.

Liegenschaften, welche die öffentliche Hand notabene unter dem Druck der Enteignungsdrohung von deren ursprünglichen Besitzern vor ein paar Jahren für ein Butterbrot erworben hat, sollen nun an den Meistbietenden verhökert werden. 

Erfahrungsgemäss verheisst das nichts Gutes: Für finanzstarke Investoren steht einzig und allein der Profit im Zentrum – gewachsene Strukturen, Lebensqualität und Nachhaltigkeit sind für sie höchstens ein Thema beim Marketing. Als Folge drohen die Zerstörung altehrwürdiger Liegenschaften sowie Gentrifizierung.

Diese Woche sind im Amtsanzeiger gleich zwei Liegenschaften ausgeschrieben, die das Tiefbauamt zu Geld machen will: Die ehemalige Direktorenvilla an der Gurnigelstrasse 50 – ein wunderschönes Haus mit einem verwunschenen Garten und geschützten Bäumen, sowie das Einfamilienhaus an der Moserstrasse 2, dessen Besitzer vor rund fünf Jahren in Panik an den Kanton verkauft hatte…

 


 

EINE MILLION FÜR
SANDKASTENSPIELE

Die Stadt Biel macht mal wieder auf «Partizipation»…

Es ist bereits eine Weile her, seit das letzte Projekt zur Entschärfung der Verkehrsverhältnisse rund um den Bieler Bahnhofplatz gescheitert ist. Nun gibt es einen neuen Anlauf: In einem breit angelegten, von der Stadt gesteuerten partizipativen Verfahren, soll bis 2024 ein «Nutzungskonzept» erarbeitet werden. Dieses soll dann künftig als Planungsgrundlage für «alle künftigen Projekte zur Neugestaltung und Weiterentwicklung des Bahnhofgebiets» dienen.

Mit anderen Worten: Bis sich wirklich etwas ändert, an der prekären Situation rund um den Bieler Bahnhof, dürfte es noch eine Weile dauern.

Dafür sollen möglichst viele mitreden dürfen: Die Stadt hat Paul Krummenacher von der renommierten, auf Mitwirkungsverfahren spezialisierten Firma «Frischer Wind AG» mit der Durchführung eines Partizipationsprozesses beauftragt. Im Rahmen von vier öffentlichen Foren sollen alle interessierten Personen ihre Inputs für den Planungsprozess geben können. Begleitet wird das Ganze von einer sogenannten Spurgruppe aus rund 20 Personen, die laut Medienmitteilung der Stadt «die verschiedenen Anspruchsgruppen im Gebiet repräsentieren».

Grundsätzlich ist das eine gute Sache, gegen Partizipation ist nichts einzuwenden. Wenn man sich allerdings den Perimeter des zur Debatte stehenden Gebiets genauer anschaut sowie die Fragestellungen, kommt man unweigerlich zum Schluss: Hier soll (einmal mehr) viel Geld für eine blosse Sandkastenpflichtübung ausgegeben werden – um notabene Resultate zu generieren, die aus früheren «Partizipationsprozessen» längst vorliegen…

Fakt ist: Die Situation auf dem und um den Bahnhofplatz ist schon lange eine Zumutung für alle. Welche Anforderungen an den Bahnhof und seine nächste Umgebung gestellt werden, ist eigentlich klar. Was zu tun wäre, liegt auf der Hand. Dafür braucht es kein aufwändiges Partizipationsverfahren. Ob dadurch etwa der Widerstand gegen die notwendigen Einschränkungen für den motorisierten Verkehr auf dem Bahnhofplatz überwunden werden kann, ist mehr als fraglich.

Besonders stossend ist bei dieser ganzen Angelegenheit, dass ausgerechnet jene Gebiete vom Partizipationsprozess ausgeschlossen werden, die echtes Entwicklungspotenzial haben – und wo es tatsächlich grosses Interesse an  Mitwirkung gibt: Mit der Begrenzung des Perimeters auf das Areal zwischen Salzhausstrasse und Aarbergstrasse sind etwa das Wydenauquartier mit dem Labiu genauso ausgeschlossen wie das Schlachthof- und das Schöneggareal.

Damit ist der Perimeter für die Mitwirkung am künftigen Nutzungskonzept für das Bahnhofquartier genauso begrenzt wie beim aktuell laufenden «Partizipationsprojekt» LabCity, mit dem die Stadt Biel die auf Stadtaufträge abonnierten Kommunikations- und Eventbüros GebelGebel und MesserBenz beauftragt hat: Auch dort wurde mit der Beschränkung auf die Achse Bahnhof-Mühlebrücke ein zu enger Radius vorgegeben.

Während die Stadtregierung unter Hinweis auf die leere Stadtkasse nicht bereit ist, ein paar Tausend Franken in die notwendige Sanierung des Labiu zu investieren und auch den Erhalt des historischen Schlachthofs «aus ökonomischen Gründen» ausschliesst, wirft sie locker eine Million Franken auf, für behördlich verordnete Partizipationsübungen, deren Resultate kaum Einfluss auf die von den Stadtoberen hinter verschlossenen Türen abgesegnete Agenda der Stadtentwicklung haben werden. Weil die wirklich wichtigen und spannenden Fragen von aus Behördensicht störender Partizipation zum Vornherein ausgeschlossen sind.

Schade fürs Geld und die Zeit der vielen Freiwilligen, die sich – ohne Honorar – engagieren. Sei es im Rahmen von offiziellen Partizipationsübungen, sei es beim Versuch, die Lebendigkeit der Stadt durch Projekte wie das Labiu oder dem Kulturzentrum Schlachthof «von unten» und partizipativ selber zu entwickeln.

Noch ist allerdings nicht das letzte Wort gesprochen: Am 9. Juni stimmt der Stadtrat über den Verpflichtungskredit zur Erarbeitung des Nutzungskonzepts Bahnhofquartier ab – er hat es also in der Hand, diesen abzulehnen, oder Nachbesserungen zu verlangen…

 


 

© Ayuntamento Barcelona

LERNEN VON BARCELONA

Seit Jahren geht Barcelona mit gutem Beispiel voran: Der Bericht in der heutigen NZZ am Sonntag zeigt auf, wie weit man dort bereits ist, mit der Transformation der verkehrsgeplagten Stadt hin zu verkehrsberuhigten Zonen, zu sogenannten «Superblocks» mit neuer Lebensqualität.

Vor bald fünf Jahren wurde das erste Wohnquartier nach dem Konzept des Biologen und Umweltingenieurs Salvador Rueda in einen verkehrsberuhigten «Superblock» umgestaltet – mit grossem Erfolg. Mittlerweile gibt es bereits sechs solche «Superilles» – fünfzehn weitere sollen bald folgen. Mit dem Ziel, dass dereinst ganz Barcelona zur verkehrsberuhigten Insel wird…

Die wirklich gute Nachricht dieses Berichts: Sven Eggimann, Wissenschaftler an er EMPA in Dübendorf, hat sich zur Aufgabe gemacht, die Anwendbarkeit dieses Konzepts für Schweizer Städte zu prüfen. Untersucht hat er bisher erst die neun grössten Schweizer Städte, im Juni wird er seine Resultate an einer Regionalkonferenz vortragen. Danach seien die Städte am Zug…

Dazu gehört auch Biel, wo ja aktuell im grossen Stil nach Ideen für eine attraktive Innenstadt gesucht wird. Warum nicht ein entsprechendes Projekt auf der Plattform Particibienne eingeben? Die Umsetzung von Superblocks birgt grosses Potenzial für mehr Lebensqualität – in der ganzen Stadt.…

In Luzern ist man diesbezüglich schon einen Schritt weiter: Dort hat der Stadtrat eine wissenschaftliche Arbeit für die Machbarkeit von Superblocks in Auftrag gegeben. Und in Basel haben Quartierbewohner:innen eine entsprechende Petition lanciert sowie eine Charta erarbeitet.

Forza Biel-Bienne und Nidau! Das können wir auch!!! – Denn mit Autos zählen allein, hat sich noch nichts verbessert…

 

 

 

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