Nordufer Bielersee

 

DAS BIELERSEE-NORDUFER

Der Entscheid aus den 1960er-Jahren, die Kantonsstrasse am linken Bielersee-Ufer zu einer Nationalstrasse auszubauen, war falsch. Dessen sind sich heute alle einig.

Wie man mit dieser Fehlplanung jedoch umgeht, da scheiden sich die Geister. Mit der Westast-Diskussion besteht eine einmalige (und letzte?) Chance, diesen Fehlentscheid zu korrigieren. Damit könnte auch auf weitere schwierige Tunnelbauten wie den Twann- und den Vingelztunnel verzichtet werden…

News und Geschichten vom linken Bielerseeufer, die letzten Posts jeweils zuoberst:

 

 

DIE ÜBERFLÜSSIGSTE AUTOBAHN WESTEUROPAS

Zweispurige «Autobahn» am Bielersee-Nordufer

Sonntag, 13. Dezember 2020, 11.21 Uhr

Jetzt zurückbauen mit Priorität Velo- und Fussgängerverkehr!

 

 

4. Dezember 2020:

DIE IRRWEGE
DES ASTRA

 

40-Tönner mit polnischen, tschechischen, französischen, deutschen, österreichischen Nummernschildern – Lastwagen mit Genfer, Aargauer, Luzerner oder St. Galler Kennzeichen… Während der Woche donnert der Schwerverkehr ab morgens 05.00 Uhr erbarmungslos durch die Bieler Seevorstadt und über die N5 dem linken Bielerseeufer entlang.

Weshalb entscheiden sich all die Transportunternehmen für eine Route, die mitten durch die Stadt und über eine Uferstrasse führt, die für solche Monstertrucks eigentlich viel zu schmal ist? Dies, obschon nur wenige Kilometer weiter südlich mit der A1 eine top ausgebaute Autobahn zur Verfügung steht?

Die erstaunliche Antwort lautet: Es ist das Bundesamt für Strassen ASTRA, das den unser Land von Osten nach Westen traversierenden Schwerverkehr über die N5 dirigiert. Seit 2002 betreibt das Bundesamt ein hochoffizielles «Schwerverkehrsportal mit Routenplaner».

Gibt man dort etwa die Strecke St. Gallen – Genf ein, führt der Weg alternativlos über Biel. Andere Navigationstools wie ViaMichelin, Google Maps oder der TCS-Routenplaner schicken die AutofahrerInnen für die gleiche Strecke sinnvollerweise über die A1. Nicht so der Bund.

Warum? Ein Programmierungsfehler? Oder weil die Strecke über Biel – kilometermässig – rund 5 km kürzer ist als jene über die A1? Oder schlicht und einfach, um die A1 zu entlasten?

So geht es nicht, liebe Astra-Leute. Was auch immer eure Gründe sein mögen, die Menschen in der Bieler Seevorstadt und in den Dörfern am See haben genug gelitten. Der zunehmende Schwerverkehr zerstört ihre Lebensqualität und beeinträchtigt die Umwelt. Der Transitverkehr gehört nicht auf diese Strecke!

Deshalb forderte das Komitee «N5 – Bielersee so nicht» im Sommer dieses Jahres in einer Petition ans UVEK nebst einem Planungsstopp beim Twanntunnel, der nur den Dorfkern vom Lärm entlasten würde, ein Transitverbot für den Schwerverkehr. Weil dieser auf die A1 gehört. 

Unterstützt wird das Anliegen auch vom Westast-Dialog in Biel: In den von AutobahngegnerInnen wie ‑befürworterInnen und Behörden gemeinsam verabschiedeten Papier, das am kommenden Montag Regierungsrat Neuhaus überreicht wird, steht in der Rubrik für kurzfristige Massnahmen ebenfalls die Forderung für ein Lastwagen-Transitverbot auf der Strecke Bözingenmoos bis La Neuveville.

Also, liebe Astra-Programmierer: Statt den Schwerverkehr über Biel zu lenken, heisst es in Zukunft: Lastwagen ultimativ auf die A1. Auf der N5 zwischen Biel und La Neuveville haben sie nichts verloren.

Der Astra-Routenplaner sorgt übrigens nicht nur im Berner Seeland für Kopfschütteln. Ein Fallbeispiel zeigt, dass auch anderswo der Schwerverkehr auf abenteuerliche Wege führt…

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«Mit Astrid unterwegs» – wie das Astra die Lastwagenchaufeuse in die Irre führt

 

 

4. September 2020:

«ES MUSS ETWAS GEHEN

Weniger als zwei Wochen brauchten die PetitionärInnen, um mit einer einmaligen Aktion gegen 900 Unterschriften für die «Rettung des linken Bielerseeufers» zu sammeln. Nicht übers Internet – darauf haben sie bewusst verzichtet, um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Diese Gespräche haben nun klar und deutlich gezeigt, wie vielen Menschen der Schutz des Bielerseeufers ein Anliegen ist.

Dazu zählen nicht nur die direkt betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner, die werktags schon ab morgens um 5 Uhr durch die ersten Lastwagen geweckt werden und enorm unter den Lärm- und Abgasemissionen des Schwerverkehrs leiden. Unterschrieben haben auch Menschen aus der näheren und weiteren Umgebung, die den Wert dieser fragilen Landschaft erkannt haben und die drohende weitere Verschandelung des Bielersee-Nordufers durch überdimensionierte Strassenbauten verhindern wollen.

Man ist sich weitgehend einig: «Es muss etwas geschehen!» Die geplante Verlängerung des Ligerztunnels, die einzig den Dorfkern von Twann vom Transitverkehr entlasten würde, reicht nicht und zieht zusätzlichen Schwerverkehr auf die N5 an. Eine Mehrheit der AnwohnerInnen des Seeufers, die an der offen geführten Strecke von Wingreis über Tüscherz und Alfermée nach Biel lebt,  würde dadurch nicht vom Verkehrslärm befreit. Auch die Spazierwege wären weiterhin dauerbeschallt, die Baustelle und das Tunnelportal in Wingreis würden unheilbare Wunden hinterlassen. Kurzum: Es braucht andere Lösungen – die auch kurzfristig die Situation verbessern.

Die Petition kommt genau zum richtigen Zeitpunkt: Im Rahmen des Dialogprozesses in Biel wurden in den letzten Monaten eine Reihe sogenannt «kurz- und mittelfristiger Massnahmen» erarbeitet. Grundlage dafür ist die 4‑V-Strategie des Kantons Bern, die in Bezug auf den Verkehr klare Prioritäten festlegt: A. Verkehr vermeiden – B. Verkehr verlagern – C. Verkehr verträglich gestalten – D. Verkehr vernetzen.

Diese Strategie gilt selbstverständlich für die ganze Region. Angewendet auf das linke Bielerseeufer stehen zwei Lenkungsmassnahmen im Vordergrund, die SOFORT umsetzbar wären – vorausgesetzt, die Politik setzt sich dafür ein:

  • Ein Transitverbot für den Schwerverkehr Tempo 60 auf der gesamten Strecke zwischen Biel und La Neuveville. Dies, weil die N5 als Autobahn 3. Klasse mit Radstreifen ein völlig ungeeigneter Korridor für den Transit-Schwerverkehr ist. Ein beachtlicher Teil der Lärm- und Abgaserzeugung wäre damit vom Seeufer ferngehalten.
  • Generell Tempo 60 auf der gesamten Strecke zwischen Biel und La Neuveville. Die Vereinheitlichung der Geschwindigkeitslimite beruhigt den Verkehrsfluss und bietet für Autofahrende und den Veloverkehr mehr Sicherheit und Komfort.

Diese Massnahmen kämen auch den Städten Biel und Nidau zugute, weil damit die Attraktivität der N5 als Schleichweg und Ausweichstrecke für die A1 drastisch sinken würde.

Mit der  Einreichung der Petition am 4. September 2020 liegt der Ball nun beim UVEK sowie bei Bundespräsidentin und Departementsvorsteherin Sommaruga. Am Bielersee und in Biel wartet man  gespannt auf eine Antwort und setzt auf die Lernfähigkeit der Behörden: Der Westast-Dialog und die Verkehrsprobleme am linken Bielerseeufer sind eng miteinander verknüpft – und verlangen nach einer gesamtheitlichen Betrachtungsweise. Im Gegensatz zu Biel, wo seit der Eröffnung des  Ostasts (ausser dem Transit-Schleichverkehr) keine nennenswerten Verkehrsprobleme für Motorfahrzeuge bestehen, braucht es am linken Bielerseeufer aber dringend Lenkungsmassnahmen, um die Lärmbelastung baldmöglichst zu reduzieren!

Weitere Informationen, die offizielle Medienmitteilung, Bilder und Medienberichte auf der Website des Komitees

 «N5 Bielersee – so nicht!» 

 

 

 

21. Dezember 2019:

Der Leserbrief von Boris Fistarol, Präsident des Komitees «N5 Bielersee – so nicht!» bringt es auf den Punkt: Die Bevölkerung der Region Biel wird von den Behörden und PolitikerInnen offenbar immer noch nicht ernst genommen…

Bieler Tagblatt, 21. Dezember 2019 – click and read:

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17. Dezember 2019:

VORSTÖSSE ZUM TWANNTUNNEL

IM BUNDESHAUS ABGEBLITZT!

In der Fragestunde des Nationalrats vom 16. Dezember musste Bundesrätin Simonetta Sommaruga die Vorstösse von Matthias Aebischer und Jürg Grossen zum Twanntunnel beantworten. Ihre Stellungnahme wurde namentlich am linken Bielerseeufer und darüber hinaus in der ganzen Region mit grosser Spannung erwartet.

Schliesslich geht es beim Ostportal des Twanntunnels und der geplanten monströsen Baustelleninstallation um nichts weniger als um die weitere Beeinträchtigung wenn nicht gar Zerstörung einer geschützten Landschaft von nationaler Bedeutung. Zur Debatte stehen die Lebensqualität der Menschen am linken Bielerseeufer, die Existenz von WeinbäuerInnen und WirtInnen sowie die Grundsatzfrage nach der künftigen Verkehrsführung in der Region Biel-Seeland.

Zur Erinnerung: Jürg Grossen verwies in seinem Vorstoss darauf, dass das Vorantreiben des Twanntunnels Fakten schaffe, die dem aktuellen Westast-Dialogprozess zuwiderlaufen und fragte, wie sich dieses Vorgehen rechtfertigen lasse. – Matthias Aebischer stellte in seinem Vorstoss die Grundsatzfrage nach der Nachhaltigkeit der Ausbaupläne für die N5 durch die schützenswerte Landschaft und wollte wissen, welche Massnahmen der Bundesrat plane, um die Lebensqualität für die BewohnerInnen und die Schönheit des nördlichen Bielerseeufers zu erhalten.

Bundesrätin Simonetta Sommaruga, dies die Hoffnung,  könnte als zuständige Chefin des UVEK den aktuellen Planungs- und Umsetzungsprozess für das Tunnelprojekt zumindest während der Zeit des Westast-Dialogs stoppen, um dessen Ausgang abzuwarten. Dadurch wäre der Weg frei gewesen für eine ganzheitliche Planung und nachhaltige echte Verbesserung der Verkehrssituation in der Region. Leider hat sich diese Hoffnung (vorläufig) zerschlagen… 

Um es gleich vorweg zu nehmen: Bundesrätin Sommaruga hat die in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt. Im Gegenteil: Die Antwort auf die beiden Vorstösse ist ein Schlag ins Gesicht sowohl für die  direkt Betroffenen wie für alle, die im Rahmen des Dialogprozesses und darüber hinaus um umwelt- und menschenfreundliche Lösungen kämpfen.

Bundesrätin Sommaruga hielt es nicht einmal für nötig, die von ihrem Amt erarbeitete Stellungnahme vor dem Nationalrat persönlich zu vertreten. «Aus Zeitgründen» wurde die abschlägige, auf der ganzen Linie enttäuschende magistrale Antwort lediglich schriftlich veröffentlicht. So behauptet der Bundesrat etwa in der Antwort auf den Vorstoss von Jürg Grossen: «Das Projekt Twanntunnel hat keinen Zusammenhang mit dem Projekt Westast in Biel» – und verlangt konsequenterweise: «Die Projekte in Twann und in Biel müssen separat voneinander betrachtet werden: Der Twanntunnel soll das Winzerdorf Twann von Durchgangsverkehr befreien.»

Fest steht: Das ist zu kurz gedacht. Je nach Massnahmen oder Varianten, für die man sich im Lauf des Westast-Dialogprozesses  entscheidet, könnten Twann und das gesamte linke Bielerseeufer auch ohne teure und zerstörerische Tunnelbauten, dafür nachhaltig und auf der gesamten Strecke, von Durchgangsverkehr befreit werden… Umgekehrt schafft man mit dem Bau des Twanntunnel ein Präjudiz, das die aktuelle, unbefriedigende Verkehrsführung in der Region zementiert.

In der Antwort auf den Vorstoss Aebischer weist der Bundesrat darauf hin, dass «die Betroffenen, die Umweltschutz- und Landschaftsschutzorganisationen sowie das Bundesamt für Umwelt» ihre Interessen während der Erarbeitung des Projekts sowie dem Genehmigungsverfahren einbringen können. Fest steht: Bis zur Planauflage wussten die direkt Betroffenen nicht, was auf sie zukommt. Bis heute wird nicht klar und transparent kommuniziert, wie die mittel- und längerfristigen Strassen-Ausbaupläne am linken Bielerseeufer aussehen. Es ist aber davon auszugehen, dass das Astra eine Aufklassierung der N5 zwischen Biel und La Neuveville zu einer Autobahn 2. Klasse anstrebt. Die Folge sind Mehrverkehr sowie weitere Zerstörungen und Emissionen in der geschützten Landschaft.

Warum hält man ohne wenn und aber daran fest? – War Bundesrätin Simonetta Sommaruga in dieser Sache möglicherweise schlecht beraten? Oder ist der Widerstand gegen den monströsen Installationsplatz, die jahrelange Baustelle und die massiven Eingriffe in die geschützte Landschaft (noch) zu klein, um im Bundeshaus ernst genommen zu werden?

Vielleicht ergibt sich ja morgen Donnerstag für den einen oder die andere eine Gelegenheit, der neu gewählten Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga bei einem Glas Bielerseewein die Sache zu erläutern. Anlässlich der Präsidialfeier, die sie gemeinsam mit Ständeratspräsident Stöckli kredenzt, soll ab 16.30 Uhr im Ring «eine ungezwungene Begegnung mit der Bevölkerung» stattfinden. 

Zur Vorbereitung auf erfolgreiche Gespräche mit der Bundespräsidentin 2020 hier die beiden Vorstösse mit den bundesrätlichen Antworten im Original:

Vorstoss Grossen

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Vorstoss Aebischer 

 

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Verständnislos reagierten die Verantwortlichen von «N5 Bielersee so nicht!» auf die bundesrätlichen Antworten. In der Stellungnahme des Komitees wird u.a. darauf hingewiesen, dass es für das Ostportal Twanntunnel nie einen echten partizipativen Prozess gegeben habe. Kritisiert wird zudem die 15jährige Bauzeit in geschützter Landschaft sowie der Fokus auf einzelne Schauplätze, welcher verhindert, dass Zusammenhänge gesehen und ganzheitliche Lösungen gesucht werden. 

 


27. November 2019:

TWANN-TÜSCHERZ:

SOLIDARITÄT MIT WINGREISERINNEN

Selten ist die Gemeindeversammlung so gut besucht wie am letzten Montag, 25. November. Der Grund war ein Thema, das nicht einmal auf der Traktandenliste stand, sondern unter Varia behandelt werden sollte: Das laufende Einspracheverfahren im Zusammenhang mit dem geplanten Ostportal und Installationsplatz des Twanntunnels.

Die Gemeinde Twann-Tüscherz hat juristisch keine Möglichkeit, das Portal zu verändern. Sie könnte höchstens auf die gesamte Tunnelumfahrung des Dorfkerns Twann verzichten. Eine Umfahrung, auf die viele Twannerinnen und Twanner  seit Jahrzehnten warten.

Diese Ausgangslage nach dem Motto «Vogel friss oder stirb» zog rund 90 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in die Rebhalle, dies entspricht fast 10 Prozent der Stimmberechtigten. Das Budget 2020 sowie ein paar weitere Investitionen und neue Verordnungen wurden von den Anwesenden diskussionslos und in Rekordzeit durchgewunken. Unter dem Traktandum Varia kam dann endlich jenes Thema zur Sprache, das am linken Bielerseeufer aktuell die Wogen hochgehen lässt.

Trotz der äusserst kontroversen Ausgangslage, blieb die Diskussion sachlich. Die Votantinnen und Votanten von Wingreis, dem Weiler der am meisten unter dem Bau des Twanntunnels leiden würde, fühlten sich am Ende des Abends in ihren Ängsten und Sorgen gehört und verstanden.

Einen formellen Entscheid der Versammlung konnten sie zwar nicht einfordern, da das Thema nicht traktandiert wurde. Gemeindepräsidentin Margrit Bohnenblust versprach jedoch verbindlich, alle Anliegen der betroffenen WingreiserInnen in die Baueinsprache der Gemeinde Twann-Tüscherz einfliessen zu lassen. 

Das Fazit der Gemeindeversammlung: Alle sind vom Lärm geplagt, alle wollen endlich Ruhe. Wie dies erreicht werden soll, ob mit der vorliegenden Tunnelvariante oder im Gegenteil, indem man darauf verzichtet, dürfte künftig noch zu einigen Diskussionen Anlass geben.

So oder so steht fest: Ob Stückwerk oder Gesamtlösung dürfte der Strassenlärm die Dörfer noch jahrelang plagen. Um Abhilfe zu schaffen, braucht es kluge Lenkungsmassnahmen zum Schutz von Bevölkerung und Natur. 

Noch bis Ende Woche sind all jene, die vom Bau des Twanntunnels irgendwie betroffen sind aufgefordert, beim UVEK ihre Einsprache einzureichen. So können etwa auch AnwohnerInnen der Neuenburgstrasse in Biel einen Nachteil durch die geplante Baustelle geltend machen, da diese zu einer markanten Zunahme von LKW-Fahrten auf der N5 zwischen Biel und Wingreis führen würde. 

Text: © Annekäthi Zweidler

Berichterstattung im Bieler Tagblatt – click and read

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25. November 2019:

NOCH MEHR WIDERSTAND AM BIELERSEE 

Der frisch renovierte Saal im alten Gemeindehaus von Tüscherz war am Samstag, 23. November 2019, brechend voll: Rund 90 Personen folgten der Einladung zum Info-Anlass des Aktionkomitees «N5 Bielersee – so nicht!». Dieses kämpft aktuell gegen den vom Astra geplanten Twanntunnel-Installationsplatz in Wingreis, dem Liegenschaften und kostbare Rebberge geopfert werden sollen.

Das grosse Interesse insbesondere der Bevölkerung von Ligerz, Twann und Tüscherz kommt nicht von ungefähr: Die N5 beeinträchtigt seit Jahren die Lebensqualität am linken Bielerseeufer. Der geplante Twanntunnel würde für einen kleinen Teil der Bevölkerung zwar Abhilfe schaffen, gleichzeitig hätte dessen Bau aber im Weiler Wingreis zerstörerische Folgen.

Das geplante Bauvorhaben für das Tunnel-Ostportal, müsse unbedingt verhindert werden, so der Tenor an der Veranstaltung. Man könne die Fehlplanung von vor 60 Jahren nicht mit noch mehr Beton korrigieren.

Einige traten dafür ein, dass nur ein durchgehender Tunnel von Biel bis La Neuveville den lärmgeplagten Dörfern wieder mehr Lebensqualität bringen würde. Andere sprachen sich für die kleine Seelandtangente aus. Und wieder andere möchten den motorisierten Verkehr reduzieren, indem man die Strecke mit einem LKW-Transitverbot belegt und den ÖV gezielt fördert. 

Der Umweltjurist Reinhard Zweidler ermunterte die Anwesenden, gegen das Bauvorhaben in Wingreis Einsprache einzureichen. Er betonte, dass entgegen der Ausünfte des Astra, jede Person, die durch das Projekt beeinträchtigt würde, befugt sei, eine Einsprache zu schreiben. Punkte, die dabei aufgeführt werden können, sind zum Beispiel die Zunahme von Lärm und Staub durch die Baustelle, die langjährigen und teilweise gefährlichen Umleitungen von Velo- und Wanderwegen und nicht zuletzt der Verlust von Biodiversität. 

Das Komitee ruft deshalb die Bevölkerung auf, möglichst zahlreiche, individuell begründete Einsprachen gegen das Twanntunnel Ostportal  zu verfassen und diese bis spätestens am Samstag, 30. November an das UVEK abzuschicken. Es stellt dafür auch eine Mustereinsprache zur Verfügung, die je nach Betroffenheit abgeändert werden kann:thumbnail of N5Bielersee_mustereinsprache

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Wichtig sind die Einsprachen nicht nur, damit der überdimensionierte Installationsplatz für das Twanntunnelportal in Wingreis verhindert werden kann. Darüber hinaus geht es auch darum, die Salamitaktik des Astra zu stoppen, welches alles daran zu setzen scheint, die Autostrasse 3. Klasse am Bielersee mittelfristig zu einer Autobahn 2. Klasse auszubauen.

Ein Ansinnen notabene, das in engem Zusammenhang mit der Westast-Planung in Biel steht: Würde die Westast-Autobahn tatsächlich gebaut, wie es Kanton und Astra planten, wäre ein Kapazitätsausbau am linken Bielerseeufer wohl unumgänglich. Weil über den Westast zwangsläufig noch mehr Verkehr  in die sensible Reblandschaft gelenkt würde…

Text: ©Annekäthi Zweidler

 


 

Oktober/November 2019:

TWANN UND DER WESTAST:

EIN DORF IN AUFRUHR 

 

Bis anhin fokussierte die Westast-Diskussion fast ausschliesslich auf die Situation in Biel und Nidau. Die beiden innerstädtischen Autobahnanschlüsse sind nicht stadtverträglich – darüber sind sich zumindest Westast-KritikerInnen einig.

Wenig wurde bisher aber über die Landschafts- und Dorf-Unverträglichkeit der Autobahnpläne jenseits der Stadtgrenzen debattiert. Obschon die künftigen Entscheide in Sachen Westast nicht nur Auswirkungen für die Stadt, sondern für die gesamte Region haben.

Besonders betroffen ist das linke Bielerseeufer: Wird der Westast gebaut – mit oder ohne innerstädtische Anschlüsse – ist mit einer drastischen Verkehrszunahme auf der Jurasüdfuss-Strecke zwischen Biel und Neuenburg zu rechnen.

Seit Jahrzehnten schon leidet die geschützte, attraktive Reblandschaft unter dem Auto- und Lastwagenverkehr, der durch den Ausbau der einstigen Kantonsstrasse zur N5 – einer Nationalstrasse 3. Klasse – drastisch zugenommen hat. Doch nicht nur Lärm und Gestank des motorisierten Verkehrs, auch die Kunstbauten entlang dem Ufer, zur Sicherung von Bahn- und Strassentrasse, beeinträchtigen eines der touristisch interessantesten Gebiete des Kantons.

Ein Teil wurde bereits Anfang der 1970er Jahre unwiederbringlich zerstört. So musste etwa in Tüscherz das gesamte Unterdorf weichen und in Wingreis wurde das traditionelle und beliebte Strandhotel Engelberg abgerissen – trotz heftiger Kritik und Widerstand aus der Bevölkerung.

Ein Fehlentscheid, darüber herrscht heute in der Region und darüber hinaus Einigkeit. Doch statt diesen zu korrigieren, versucht man seit Jahrzehnten, mit Pflästerlipolitik die schlimmsten Auswirkungen abzufedern und die Bevölkerung ruhig zu stellen. Das Resultat: Ein Flickwerk, das weitere zerstörerische Spuren in die Landschaft fräst.

Das jüngste Beispiel: Im dritten Anlauf einigten sich das Astra, der Kanton und die Schutzorganisationen auf eine Variante für das Ostportal des Twanntunnels, dessen Baubeginn – geht es nach den Plänen des Astra – schon bald ansteht.

 

Bereits haben verschiedene EigentümerInnen im Weiler Wingreis, der zur Gemeinde Twann-Tüscherz gehört, Enteignungsbriefe erhalten. Für die Einrichtung des Tunnelbau-Installationsplatzes will der Bund Häuser und Rebberge einstampfen. Während zehn Jahren würden jene BewohnerInnen von Wingreis, deren Häuser vom Abbruch verschont bleiben, auf einer Baustelle leben. Und den betroffenen WinzerInnen droht der Verlust ihrer Lebensgrundlage, wie bereits in der Sonntagspresse nachzulesen war.

Die Heimat der Menschen von Wingreis soll einem Tunnelbau geopfert werden, von dem sie selber nie etwas haben werden. Im Gegenteil: Kurz vor dem malerischen Winzerdorf mit den teils denkmalgeschützten Rebhäusern kämen die Autos wieder aus dem Berg.…

Schon heute duckt sich Wingreis hinter dicken Lärmschutzwänden, welche die rund 30 BewohnerInnen vor den schlimmsten Auswirkungen des Strassenlärms schützen. Der geplante Tunnel würde ihre Situation für immer weiter verschlechtern: Bereits hat das Astra in Aussicht gestellt, dass gewisse Kunstbauten im Rebbaugebiet für die Sicherung der Strasse notwendig seien.

Das wollen sie nicht einfach hinnehmen: Am letzten Samstag haben sich die BewohnerInnen und LiegenschaftsbesitzerInnen von Wingreis im Engelberg getroffen und den Verein «N5 Bielersee so nicht» gegründet.

Den Namen haben sie bewusst in Anlehnung an das Komitee «Westast so nicht!» gewählt. «Es geht nicht nur um den Installationsplatz, es geht um mehr», sagt Gründungsmitglied Sandra Gurtner-Oesch, die in Wingreis aufgewachsen ist. «Heute stellt sich die Frage, ob es den Twanntunnel überhaupt braucht. – Für mich war nie nachvollziebar, weshalb man ausgerechnet an der engsten Stelle zwischen St. Gallen und Genf sowohl die Eisen- wie die Autobahn durchpeitschen muss.»

Aktuell besteht die Chance, dass der historische Fehlentscheid aus den 1960er Jahren korrigiert wird. Wenn der Runde Tisch in seinem ergebnisoffenen Westast-Dialog nämlich zum Schluss kommen würde, dass statt eines Ausbaus der N5 am Bielersee eine andere Lenkung des Verkehrs sinnvoller wäre, könnte sowohl auf den Twann- wie auf den Vingelztunnel verzichtet werden.

Deshalb fordert das Komitee «N5 Bielersee so nicht» ein Moratorium für den Twanntunnel – zumindest bis der Westast-Dialog seine Ergebnisse präsentiert. Ob sich die Gemeinde Twann auch hinter dieses Anliegen stellt, ist noch offen: Im Dorf hoffen viele auf eine Verkehrsentlastung durch den Twanntunnel.

Dieser könnte aber – laut Astra-Fahrplan – frühestens 2035 in Betrieb genommen werden. Wie sich die Mobilität bis dahin entwickeln wird, steht heute in den Sternen… Andere Massnahmen, wie etwa eine Rückklassierung der N5, kombiniert mit einem Transitverbot für den Schwerverkehr, könnte viel schneller umgesetzt werden. Vorausgesetzt, die Politik stellt sich dahinter. – Nach den gestrigen Wahlen stehen die Zeichen dafür besser als auch schon…

Der Vorteil alternativer Massnahmen: Nicht bloss der Dorfkern von Twann würde entlastet, sondern die gesamte Uferregion von Biel bis Neuenstadt. So könnte etwa auch die lärmgeplagte Bevölkerung von Tüscherz endlich wieder aufatmen und wäre nicht länger auf Lärmschutzwände angewiesen, um ein Minimum an Dorfleben zu ermöglichen… Ja, man könnte damit auf die Umsetzung sämtlicher Tunnelprojekte von Vingelz über Tüscherz bis Twann verzichten – das heisst: Man würde massiv Kosten sparen, und gleichzeitig die sensible Landschaft schonen.

Vor allem aber wäre dieser Schritt ein grosses Plus für die BewohnerInnen der Region, den Tourismus, die Natur und nicht zuletzt für die Qualität der Bielerseeweine…

 


22. Oktober 2017:

ÜBER DAS EIGENE GÄRTLI HINAUSENKEN

Die Eröffnung der A5-Ostastautobahn Ende Oktober soll für grosse Teile der Stadt Biel eine Verkehrsentlastung bringen. Das wird von den Behörden seit Monaten behauptet und versprochen. Allerdings ist davon auszugehen, dass die neue Hochleistungsstrasse gleichzeitig neuen Verkehr anziehen wird. Entlastung für einige Quartiere der Stadt, neue Belastung für andere. Gleiches gilt für die angrenzenden Gemeinden.

So freute sich kürzlich eine Autofahrerin aus Schüpfen: Wenn erst einmal der Ostast offen sei, werde sie künftig über Biel und Solothurn nach Luzern zu ihren Enkeln fahren – das sei angenehmer als über die A1

Solange es sich um Transitverkehr handelt, der über die Autobahn rast, werden das die Bielerinnen und Bieler kaum spüren. Andere dafür umso mehr. So sagte etwa Ruedi Wild, Präsident der SP Twann-Tüscherz anlässlich einer Informationsveranstaltung zum A5-Westast: «Wenn am 27. Oktober der Ostast der Autobahn A5 eröffnet wird, mag das für Biel eine gewisse Beruhigung bringen. Durch die Steigerung der Attraktivität ist aber eine Zunahme des Verkehrs von und nach Twann-Tüscherz und La Neuveville – Neuenburg um 22% auf 15’900 Fahrzeuge pro Tag zu befürchten.»

Für die Eröffnung des Westasts, so Wild weiter, stellten die Verkehrsplaner gar 30 Prozent Mehrverkehr in Aussicht. Dies würde bedeuten: In jede Fahrtrichtung im Durchschnitt alle 6 Sekunden ein Personenwagen sowie alle zwei Minuten ein LKW oder Bus. «Wenn sich gewisse Bieler auf den Westast freuen, legen sie eine ‚Nach mir die Sintflut’-Mentalität an den Tag», schloss der Twanner Politiker seine Ausführungen.

Dies zeigt: Die Beschränkung der Westast-Kritik auf die beiden innerstädtischen Anschlüsse und deren negative Auswirkungen auf das Stadtbild, greift zu kurz. Die Kapazitätserweiterungen mittels A5-Durchquerung von Biel wirken sich auf die ganze Region aus – und beeinträchtigen die wertvollen Kulturlandschaften am Bielersee. Die notabene von hohem touristischem Wert sind, auch für die Stadt Biel.

An besagter Veranstaltung in Twann war die Rebhalle brechend voll. Gemeindepräsidentin Bohnenblust bemerkte lachend, sie hätte noch nie an einer Versammlung so viele Leute getroffen. Nicht von ungefähr: Das Bielersee-Nordufer ist ganz besonders betroffen. Bereits seit der Einführung der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) leidet man hier unter einer enormen Zunahme des Schwerverkehrs. Entsprechend verunsichert und wütend ist die Twanner Bevölkerung: Sie befürchtet zu Recht, dass Biel auf ihre Kosten verkehrsberuhigt wird.

Hatten in den 1960er Jahren insbesondere die Gastwirte in den Rebbaudörfern noch dafür gekämpft, dass die Hauptverkehrsachse dem Nordufer entlang geführt wird, machte sich nach deren Fertigstellung bald Ernüchterung breit. Was damals als opportun galt, hat sich unterdessen als Bumerang erwiesen, wie kürzlich ein Twanner bemerkte: «Bei uns schliesst ein Restaurant nach dem anderen: Die Ilge geht zu, der Rebstock steht zum Verkauf, das Hotel Fontana ist geschlossen und auch die Tage des Twanner Stüblis sollen gezählt sein… Ein wenig sind wir selber schuld: In den 1960er Jahren wollten wir die Strasse unbedingt – und jetzt ist man gestraft.»

Das linke Bielerseeufer ist eine Landschaft von nationaler Bedeutung. Deren besonderer Reiz besteht, so das Bundesinventar, «im harmonischen Wechsel und in der Verzahnung kompakter Dörfer mit den weitgehend erhaltenen historischen Siedlungsrändern, Rebbergen, Felsen, einzelnen Gehölzen und trockenwarmen Magerwiesen.» Das Rebbaugebiet mit den Trocken- und Bruchsteinmauern sowie die historischen Ortskerne gelten als besonders schützenswert.

Auch heute noch. Obschon der Bau der Nationalstrasse in den 1970er Jahren sehr viel unwiederbringlich zerstört hat. So etwa das ehemals prächtige Hotel Engelberg in Wingreis, von dem heute einzig noch der Eingangspavillon steht. Der malerische Weiler auf der Bergseite der Strasse fristet seit dem Ausbau der Strasse ein kümmerliches Dasein hinter Lärmschutzmauern.

 

Tüscherz-Alfermée, das Dorf am steilen Rebhang, hatte im 19. Jahrhundert dank der Juragewässerkorrektion neues Land hinzugewonnen. Am Ufer entstand ein Unterdorf, umgeben von Rebgärten mit Seezugang. Dieses ganze Unterdorf wurde 1969 abgerissen und der Erweiterung von Strasse und Eisenbahntrasse geopfert. Seither umrahmen klobige Betonpfeiler und hässliche Stützmauern den denkmalgeschützten Kern des Oberdorfs.

Eine Zerstörung ohnegleichen, betrachtet man heute die Überreste des einst lebendigen Dorfes. Die langfristigen Folgen dieses Eingriffs sind jedoch noch viel gravierender: Der Verkehrslärm hat das Dorfleben zum Erliegen gebracht, die gläsernen Lärmschutzwände, die man vor ein paar Jahren im Dorfzentrum aufgestellt hat, wirken wie schierer Hohn und erinnern an einen Zoo.

Seit den 1980er Jahren hat die Bevölkerung von Tüscherz-Alfermée diesen Zustand angeprangert – und für Lösungen gekämpft. So ist etwa in einer Broschüre aus dem Jahr 1989 nachzulesen: «Vor allem die Nationalstrasse ist heute in Tüscherz-Alfermée derart dominant, dass keine Tätigkeit im Alltag der Bewohner und Gäste ohne Einwirkung bleibt. Die ständige Zunahme des Verkehrs hat die Gemeinde zum Handeln bewegt: Tüscherz-Alfermée fordert den Rückbau der N5 und die Verlegung der Verkehrsstränge in den Berg.»

Das ist bekanntlich nie geschehen. Die heutige Gemeinde Twann-Tüscherz hat deshalb in ihrer Einsprache zum Westast A5-Projekt klar die Forderung gestellt, dass auch Tüscherz-Alfermée einen Tunnel erhalten müsse.

Dabei stellt sich die Frage, wieviele Tunnelportale der fragile Jurahang wohl verträgt. Auch in Twann ist nämlich für die ferne Zukunft ein Tunnel geplant – nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist das Projekt aktuell in Überarbeitung, um eine landschaftsverträglichere Lösung zu finden. Die Geologie stellt die Tunnelbauer aber vor einige Probleme.

In Tüscherz-Alfermée kam es 1944 zu einem grösseren Bergsturz, der damals die Bahngleise verschüttete. Kurt Bögli, Ingenieur und alt Gemeindepräsident von Tüscherz-Alfermée ist überzeugt, dass es wesentlich stärkere Betonverbauungen und Stützmauern braucht, als sie aktuell für das Westportal des Vingelztunnels, vorgesehen sind.

Dorf für Dorf den Verkehr in den Berg verlegen, ist und bleibt ein unvernünftiges Flickwerk. Eine nachhaltige Lösung braucht grossräumiges Denken und den Mut zur Korrektur von Fehlern. 1997 initiierte Bundesrat Leuenberger die Prüfung von Alternativen zum geplanten Westast, weil er die Linienführung der N5 entlang dem Nordufer des Bielersees für falsch hielt. Damals scheiterte er mit seinem Vorstoss.

Im Jahr 2009 erstellte das Geographische Institut der Universität Bern 2009 im Auftrag von Tüscherz-Alfermée ein Gutachten zur Weinbaulandschaft am Bielersee. Darin steht klipp und klar: «Für die Weinbaulandschaft Bielersee-Nord braucht es einen grundlegenden politischen Entscheid auf der überregionalen Ebene zu Gunsten dieser gewachsenen Landschaft oder aber zu Gunsten der Siedlungserweiterung oder des Fernverkehrs. Die drei Szenarien schliessen sich gegenseitig aus. Die vier Gemeinden haben sich einzeln für die Weinbaulandschaft entschieden, jetzt müssen sie dies vermehrt gemeinsam tun und die überregionalen politischen Instanzen von der Richtigkeit dieses Entscheids überzeugen.»

Der Schutz der einmaligen Landschaft am Nordufer des Bielersees ist von nationalem Interesse. Deshalb sind die Behörden und die Bevölkerung aufgerufen, über Gemeinde- und Projektgrenzen hinweg, grossräumig nach nachhaltigen Lösungen zu suchen. Dabei hilft die Tatsache, dass wir in der Schweiz bereits ein derart engmaschiges Netz an Hochleistungsstrassen haben, dass die A5 zwischen Biel und La Neuveville ohne Not rückgebaut und ein für alle Mal aus dem Nationalstrassennetz eliminiert werden kann.

©Text: Gabriela Neuhaus, 2017

 


16. August 2017:

DIE FALSCHE ROUTENWAHL

Wenn sich die Diskussion um die A5-Westast-Autobahn dreht, hört man immer wieder den gleichen Satz: Der Fehlentscheid sei in den 1960er Jahren gefällt worden, als man beschloss, die Autobahn dem linken Bielerseeufer entlang zu führen. Dort, wo es zu eng ist, für eine Autobahn.

Bereits der Ausbau von Bahn und Autostrasse in den 1970er Jahren war umstritten. Damals hatten jedoch jene Stimmen, die sich für den Schutz des Bielerseeufers, für den Erhalt des Strandhotels in Wingreis im ehemaligen Kloster oder das Unterdorf von Tüscherz-Alfermée einsetzten, keine Chance. Das Resultat: Die dauerhafte Verunstaltung von einst malerischen Winzerdörfern und hässliche Betongalerien von Biel bis Neuenstadt.

Was kaum jemand mehr weiss: Schon lange bevor die A5 zur heutigen Schnellstrasse ausgebaut wurde, erhitzten Strassenbauprojekte entlang dem Nordufer des Bielersees die Gemüter. Aus einem einfachen Grund – damals wie heute: Diese schmale, sensible Uferregion eignet sich nicht als Hauptverkehrsachse zwischen Ost und West.

Der Historiker Daniel Flückiger deckte in einem Artikel, der 2012 im regionalen Jahrbuch «Seebutz» publiziert wurde, spannende Parallelen zu den heutigen Diskussionen und zur A5-Westast-Fehlplanung auf:

Der erste Entwurf für eine Strasse entlang dem Nordufer des Bielersees wurde 1826 vom Bieler Ingenieur und Bauunternehmer Jean Amédée Watt vorgelegt. Dieser stiess jedoch bei den betroffenen Gemeinden auf wenig Gegenliebe, weil für die Strasse wertvolles Rebland hätte geopfert werden müssen und die Dörfer über den Seeweg bereits gut erschlossen waren. So entschied sich die Berner Regierung 1829 noch gegen den Bau einer «Bielerseestrasse». Dies nicht zuletzt, um die damalige Hauptachse, die von Nidau über Aarberg nach Bern und in die Westschweiz führte, nicht zu konkurrenzieren.

Bereits 1831 griff jedoch der Stadtrat von Biel die Idee einer Strassenverbindung zwischen Biel und Neuenstadt wieder auf. Diesmal konnten auch die Gemeinden Twann und Ligerz für das Projekt, ja sogar für eine Mitfinanzierung, gewonnen werden. 1834 gab der Grosse Rat in Bern grünes Licht für die «Bielerseestrasse» – seit da nimmt die Fehlentwicklung ihren Lauf…

Schon bald zeigte sich, dass die ursprünglichen Befürchtungen mehr als berechtigt waren: Dem Bau der neuen Strasse musste – oft gegen den Willen der Grundeigentümer – viel wertvolles Land geopfert werden. In den Rebdörfern musste im Durchschnitt jeder dritte Haushalt eine Parzelle abtreten. Zahlreiche Gebäude wurden – oft gegen den Willen der Grundbesitzer – abgebrochen. So zum Beispiel das Wildermethgut in Tüscherz oder das Josua-Wyttenbachhaus in Schafis.

Die Bauherrschaft nahm wenig Rücksicht auf bestehende Siedlungen und die Natur, wie Daniel Flückiger in seinem Seebutz-Beitrag beschreibt: «Watt, der zunächst als Generalunternehmer mit dem Strassenbau begann, liess bereits beim Markieren des Trassees eigenmächtig Dutzende grosser Eichen in Nidauer Burgerwäldern fällen. Nachdem er am 16. September 1834 überraschend verstorben war, ging Bendicht Marti aus Bühl, der neue Generalunternehmer, ebenso ungeschickt vor. Er beschädigte bei Sprengungen an felsigen Abhängen Gebäude und Weinberge, wich eigenwillig von der markierten und mit den Grundeigentümern ausgehandelten Streckenführung ab und verzichtete in vielen Fällen darauf, das entlang der Strasse gesammelte Wasser abzuleiten.»

Die Folge waren Streit, juristische Händel und teure Schadenfälle. Dazu gehörten insbesondere viele Sachbeschädigungen an Häusern durch Wassereinbrüche. Auch die Enteignungen von Grundeigentümern gingen ins Geld, so dass der Kanton wiederholt Nachkredite sprechen musste, um das Bauwerk voranzutreiben. Schliesslich kostete die Strasse 90 Millionen Franken – mehr als das Dreifache der ursprünglich budgetierten 24 Millionen. – Das hatte Folgen für Behörden und Politik: 1839 zwang der Grosse Rat den Oberingenieur für den Strassen- und Wasserbau zum Rücktritt, 1840 wurde der verantwortliche Regierungsrat abgewählt.

Damit nicht genug: Auch nach ihrer Eröffnung sorgte die neue Bielerseestrasse für Ernüchterung. Die Erwartungen, die ihre Promotoren in sie gesetzt hatten, konnte sie nicht erfüllen, wie im Seebutz nachzulesen ist: «Gewiss, die Dörfer am See erhielten eine Strasse und einen eigenen Postkutschenkurs, was damals als Voraussetzung für schnellen und zuverlässigen Verkehr galt. Die ständige Erreichbarkeit, die man sich erhofft hatte, war allerdings unvollständig. Bereits 1842 blockierte ein Erdrutsch bei Tüscherz für mehrere Tage die neue Strasse. Und die Transporte auf dem Wasser blieben günstiger als der Strassenverkehr, wie es die Gegner des Projekts 1828 vorausgesagt hatten. Sogar das Material für den Unterhalt der neuen Strasse wurde in den nächsten Jahrzehnten in Barken anstatt auf Fuhrwerken herbeigeschafft.»

Das Fazit des Autors Daniel Flückiger – nicht zuletzt mit Blick auf die A5-Westast-Debatte – müsste die verantwortlichen Behörden und Politiker nachdenklich stimmen: «Diese Einsicht, dass Bauprojekte für den Verkehr zum falschen Zeitpunkt kommen (und die verantwortlichen Personen das übersehen) können, ist auch für die Gegenwart relevant. Denn so, wie die Bielerseestrasse am Vorabend des fossilen Zeitalters zu früh kam, dürfte in den nächsten Jahrzehnten, in denen fossile Ressourcen knapper werden, manches Projekt zu spät kommen.»

Noch ist es Zeit, ein weiteres Debakel, den nächsten Skandal zu verhindern.

Warum nicht einmal wirklich mutig und innovativ das Problem mit der Fehlplanung angehen? Nach 150 Jahren wäre es an der Zeit, neue Visionen zu entwickeln. Und mutige Entscheide zu fällen, statt mit endloser teurer Pflästerlipolitik die falsche Route dem Bielersee-Nordufer entlang Tunnel um Tunnel weiterzubasteln.

Mutig und zugleich vernünftig wäre etwa, die sensible Landschaft vom Transitschwerverkehr, der hier nichts verloren hat, zu befreien. Das wäre auch kostengünstig: Es bräuchte bloss zwei simple Signaltafeln, am Anfang und Ende des Bielersee-Nordufers.

 

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