Verwüstung in Raten

Ein Herbstspaziergang, der nachdenklich stimmt: Schon bald soll der schöne Rebhang von Wingreis zur Baustelle mutieren, das Ostportal des Twanntunnels wird anschliessend die Landschaft dauerhaft verschandeln.

Die goldleuchtende Pracht ist dann genauso Geschichte, wie der köstliche Wein dieser Trauben. Darüber hinaus droht dem schmucken Haus von Annemarie Und Ronald Wüthrich der Abbruchhammer – für die Erstellung eines Bauinstallationsplatzes!
 
 
Ein Skandal – vor allem auch, wenn man bedenkt, dass die Reblandschaft am Nordufer des Bielersees zu den ältesten geschützten Landschaften der Schweiz gehört. Bereits 1933 gründeten weitsichtige Menschen den Verein Bielerseeschutz (VBS) mit dem Ziel, das einmalige Natur- und Kulturerbe der Bielerseeregion nachhaltig zu schützen.
 
 
Einiges ist gelungen. Allerdings konnte der Verein den schlimmsten «Sündenfall» – den Ausbau von Strasse und Bahn entlang dem engen Nordufer in den 1970er Jahren – nicht verhindern. Im vom VBS herausgegebenen Bielerseebuch 1973 bedauern die Verantwortlichen denn auch, dass ihr Kampf gegen diese zerstörerische Verkehrsinfrastruktur damals vergebens war – und haben trotzdem noch Hoffnung:
 
«Obwohl es heute müssig ist, über die Richtigkeit des Grundsatzentscheides zu diskutieren, ob vor allem der Ausbau der linksufrigen Seestrasse richtig gewesen sei oder nicht: die hiesige Bevölkerung, die die Landschaft vor dem Eingriffe gekannt hat, wird noch lange die schweren Narben nicht ohne Erbitterung oder bestenfalls Resignation betrachten können.» (…)
 
 
«Warum hat der VBS diese Bauten nicht verhindert? Unnötig zu sagen: er hätte es noch so gern getan, allein es fehlten die Möglichkeiten. Möglich blieb nur, mit den zuständigen Planungsinstanzen über die «Schadensminderung» zu sprechen, Begehren anzubringen, Wünsche anzumelden. Bevor eine fruchtbare Zusammenarbeit zustande kam, stand jedoch bereits in Alfermée die von den SBB errichtete Stützmauer, die von der Bevölkerung den träfen Namen «Schandmauer» erhalten hat. Seither hat sich indessen zwischen dem Autobahnamt und auch den SBB einerseits, den Gemeinden und dem VBS andererseits eine Zusammenarbeit angebahnt, in der versucht wird, das Landschaftsbild bei der Verwirklichung er beschlossenen Bauten so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Auch so bleiben die Narben schwer und hässlich genug, und es bleibt nur die Hoffnung, eine gütige Natur werde den Sünden unserer Zeit in Zukunft eine gewisse Patina angedeihen lassen.
 
Was bringt die Zukunft? Niemand kann es wissen. Die Aufgaben des VBS werden vermutlich wachsen statt schwinden. An Arbeit wird’s nicht fehlen. Oberstes Ziel bleibt, den Bielersee und seine Umgebung so zu erhalten und so zu gestalten, dass die Bevölkerung Freude daran haben kann, und diesen Quell der Freude der Bevölkerung auch zugänglich zu machen.»
 
 
50 Jahre später wissen wir: Keine Patina kaschiert die Bausünden entlang dem Bielersee Nordufer. Im Gegenteil: Es ist immer noch schlimmer geworden – die aktuellen Baustellen zur Sicherung von Strasse und Bahnlinie tragen nichts zur Verschönerung der Landschaft bei. Im Gegenteil.
 
Und es geht immer weiter, mit der Zerstörung: Noch bevor das Ostportal des Twanntunnels für Verwüstung sorgen wird, verschwindet ein weiteres Stück Naturlandschaft. Es wird dem Bau des Ligerz-SBB-Tunnels, resp. dessen Ostportal geopfert: Die bunte Herbstpracht oberhalb der Fischereianstalt zwischen Ligerz und Twann wird vermutlich schon im nächsten Jahr durch Betonwände verdrängt.
 
 
Muss es, darf es immer so weitergehen?

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