Vertreibung und Zerstörung

Der nun behördlich bewilligte Bau des Tunnel-Ostportals in unmittelbarer Nähe des denkmalgeschützten Weilers Wingreis belastet eine ganze Region. Die geplante Verlängerung des Ligerztunnels dient einzig den Interessen des Transitverkehrs und einigen Wenigen im Dorfzentrum von Twann. Die Mehrzahl der Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinde Twann-Tüscherz werden weiterhin unter Verkehrslärm und Abgasen leiden – vermutlich in Zukunft noch stärker als bisher.

Vor allem werden dem Twanntunnel aber auch eine Reihe von Liegenschaften sowie Rebberge und eine einmalige Naturlandschaft geopfert. Ein weiterer unsäglicher Eingriff in das älteste Landschaftsschutzgebiet der Schweiz…

Am schlimmsten trifft es Annemarie und Ronald Wüthrich aus Wingreis: Laut den Plänen der Strassenbauer von Bund und Kanton soll ihr Daheim dem Baustellen-Installationsplatz geopfert werden. Vorgesehen ist, dass anstelle des Hauses am Eingang zum Weiler Wingreis ein Parkplatz für die Bauarbeiter errichtet werden soll. 

Ein Schock für den pensionierten Polizeibeamten und seine Frau, die als Tagesmutter Kinder aus dem Dorf betreut. Von der bevorstehenden Vertreibung haben sie erstmals anlässlich der Planauflage vor zwei Jahren erfahren. Eine Hiobsbotschaft, deren Wirkung nicht nachlässt: Das Damoklesschwert der drohenden Enteignung und Entwurzelung trübt seither ihren Alltag.

Wüthrichs haben das Haus mit Baujahr 1947 vor vierzehn Jahren gekauft. Gleich nach ihrem Einzug mussten sie das Dach erneuern, seither haben sie die gesamte Liegenschaft gemeinsam mit ihren Söhnen Schritt für Schritt saniert. Das taten sie nicht nur mit viel Engagement und Herzblut – sie haben auch einiges an Geld in ihr Daheim gesteckt.

Eigentlich wollten sie schon lange die Wände isolieren, sagt Ronald Wüthrich. Doch dieses Projekt ist gestoppt: Die Liegenschaft steht seit Jahren unter Enteignungsbann, da empfiehlt es sich nicht, weiter zu investieren.

Ronald und Annemarie Wüthrich wollten sich aber nicht einfach vertreiben lassen. Zu viel verbindet sie mit ihrem Haus und Garten, zuviel mit der Gemeinde Twann, wo sie schon so lange leben. Der dumme Spruch eines Beamten, der sagte, sie sollten die erzwungene Vertreibung als Chance für einen Neuanfang verstehen, zeugt dabei von blankem Zynismus.

In ihrem Kampf für die Rettung des Hauses stehen Wüthrichs nicht allein. Sogar die Gemeinde Twann-Tüscherz plädierte im Rahmen des Einspracheverfahrens für einen Verzicht auf die Zerstörung von Wüthrichs Haus. Davon wollte das Bundesamt für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK jedoch nichts wissen – genauso wie die Einsprache der Wüthrichs wurde auch jene der Gemeinde mit fadenscheinigen Begründungen abgewiesen.

Ronald und Annemarie Wüthrich zogen diesen Entscheid, wie eine Handvoll weiterer Einsprechender aus Wingreis und Twann, ans Bundesverwaltungsgericht weiter. Diese wurden nun jedoch abgeschmettert – die Kraft und Mittel für einen Weiterzug des  Entscheids ans Bundesgericht fehlten. Anfang Oktober verkündete die Bau- und Verkehrsdirektion denn auch in ihrer Medienmitteilung in grossen Lettern: «Twanntunnel kann gebaut werden».

Noch sind die Bagger nicht aufgefahren…

Leserbrief im Bieler Tagblatt vom 26. Oktoer 2023:

 

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