ASTRA UND DIE ZAHLEN


 

DIE KAFFEESATZLESER VOM ASTRA

Jahr für Jahr zählt das Bundesamt für Strassen (ASTRA) die Anzahl Staustunden in der Schweiz. Für 2017 kam man auf die stolze Summe von 25’853 Stunden, allein auf dem Nationalstrassennetz. Das entspreche einer Zunahme von 7,4% im Vergleich zum Vorjahr – und einer Verdoppelung seit 2009.

 

 

Doch was heisst das überhaupt, Staustunden? Wie werden diese ermittelt, was bedeutet der Ausdruck? Wie berechnet man sogenannte «Zeitverluste» durch Stau? 

Gerne verkaufen Verkehrsforscher ihr Métier als exakte Wissenschaft. Ausgerechnet der Blick in den ASTRA-Jahresbericht zur Verkehrsentwicklung und Verfügbarkeit von Nationalstrassen belehrt uns aber eines Besseren: Sogenannte Verkehrsstörungen, sprich Staus, auf dem Strassennetz sind keine feste Grösse. Die für die Statistik verwendeten Verkehrsmeldungen basiere «auf Beobachtungen der Polizei, der nationalen Verkehrsmanagementzentrale/VMZ-CH in Emmenbrücke oder der Verkehrsteilnehmer und wird mehrheitlich mittels manuellen Prozessen in den entsprechenden IT-Systemen verarbeitet.»

So könne es vorkommen, dass eine Verkehrsstörung nicht erkannt werde und deshalb nicht in die Statistik einfliesst. Das Umgekehrte dürfte aber –angesichts der schnell genervten Automobilistinnen, die fix zum Handy greifen, wenn’s stockt – eher der Fall sein, wie das ASTRA selber zugibt. Nämlich, dass eine «zu spät erkannte Auflösung eines Staus zu einer Überbewertung der Anzahl Staustunden» führt.

Dank einem gut ausgebauten Zählnetz wissen die Stauforscher vom ASTRA, dass die meisten Staus durch «Verkehrsüberlastung» verursacht werden. «Der Blick auf die zehn am stärksten belasteten Messquerschnitte zeigt, dass heute mehrere Nationalstrassen täglich von mehr als 100’000 Fahrzeugen befahren werden» steht auf Seite 11 des Berichts zu lesen. – Aber wissen sie es wirklich?

 

 

Seit zwei Jahren bereits gibt es von der wahrscheinlich meistfrequentierten Stelle auf dem Schweizer Autobahnnetz keine Messungen, wie im Bericht nachzulesen ist: «Der Querschnitt Wallisellen auf der A1, der 2015 die höchste Verkehrsbelastung aufwies, stand auch 2017 wegen eines technischen Defektes der Zählstelle nicht zur Verfügung.» Beim zweitplatzierten Querschnitt Muttenz-Hard sowie bei den Rängen 3 bis 5 gingen die Frequenzen im vergangenen Jahr zurück. Weitere Messstellen im Raum Zürich waren ebenfalls ausser Betrieb.

Da stellen sich schon Fragen: Wie genau wollen es die Strassenbeamten überhaupt wissen, oder verbreiten sie einfach «gefühlte Fakten» – und das auf Kommastellen genau? Denn die Autofahrer erfahren es tagtäglich: Stau und Stauverhinderung ist eine Sache des Verkehrsmanagements. – Immer wieder werden sie ausgebremst und gestaut, von Fussgängern, Rotlichtanlagen und Geschwindigkeitsbeschränkungen. Freie Fahrt für freie Bürger gibt es nur auf dem Papier.

Laut Definition bedeutet Stau, «dass auf einer Hochleistungs- oder Hauptstrasse ausserorts die stark reduzierte Fahrzeuggeschwindigkeit während mindestens einer Minute unter 10 km/h liegt und es häufig zum Stillstand kommt – oder wenn auf Hauptstrassen innerorts bei Knoten oder Engpässen die Verlustzeit insgesamt mehr als 5 Minuten beträgt.»

Sehr schön. Nur: Wer misst das schon? Wie stellt man exakt fest, ob und wie lange ein Fahrzeug mit weniger als 10 km/h gefahren ist? Oder ob es sich doch eher um stockenden Verkehr handelt. Nach Richtlinien der Verkehrsinformation würde das bedeuten, dass die Fahrzeuggeschwindigkeit während mindestens einer Minute unter 30 km/h liegt und/oder es teilweise zu kurzem Stillstand kommt.

So oder so: In der Praxis, das ist in einer weiteren Studie nachzulesen, wird stockender Verkehr in der Regel als Stau deklariert. Was ganz im Sinne des ASTRA und der Strassenlobby ist, die propagieren, die Staustunden mit der «Beseitigung von Engpässen» reduzieren zu müssen. Erst kürzlich hat der Bundesrat 14,8 Milliarden Franken gesprochen – 1,3 Milliarden mehr als ursprünglich geplant – um kurzfristig Kapazitätsausbauprojekte voranzutreiben.

 

 

Ein Perpetuum mobile, wie wir längst wissen: Wo Strassen ausgebaut werden, lässt die Verkehrszunahme nie lange auf sich warten. Etwa am Baregg, wo man 14 Jahre nach der Eröffnung der dritten Autobahnröhre bereits über einen vierten Tunnel nachdenkt. Der in weiteren 14 Jahren zu Spitzenzeiten wieder überlastet sein wird, wenn wir immer so weiter machen wie bisher. Womit auch die Staustunden erneut zunehmen dürften. Denn anstatt auf 6 Spuren stehen dann 25% mehr Autos auf 8 Spuren. Um dies zu prognostizieren, braucht es weder Formeln noch Statistiken.

 

 

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