BTI-BAHN 2040:
Jetzt bloss keinen Barrieren-Blödsinn aufgleisen
Vor fast genau 100 Jahren ist der Stadt Biel ein grosser Wurf gelungen. 1923 haben kluge Köpfe den Bahnhof Biel an neuer Stelle gebaut und damit auch die heutige Linienführung festgelegt.
© ETH-BIB-Biel, Bahnhof, Dampflokomotiven aus 100 m‑Inlandflüge-LBS MH01-005539.tif
Bei der damaligen Streckenverlegung wurden sämtliche Eisenbahnlinien auf einen Damm gelegt, um niveaugleiche Bahnübergänge mit Barrieren zu vermeiden. Der neue Bahnhof der Jurasüdfuss-Linie befand sich damals am Rand des städtischen Baugebiets. Heute hingegen liegt er mitten im Herzen der zusammengewachsenen Städte Biel und Nidau.
Man stelle sich vor, wie viele bewachte Bahnübergänge mit Barrieren nötig gewesen wären, hätte man das Bahntrassee auf Strassenniveau belassen. Hupkonzerte und Klagen über dauergeschlossene Barrieren wären bis auf den heutigen Tag in der ganzen Region zu hören.
Dies zeigt: Bereits 1923 haben Planer und Politiker gewusst, dass rotweissrote Barrieren in einer modernen Stadt mit Eisenbahnverkehr ein Anachronismus sind. Einen langen Bahndamm aufschütten wie in Biel, kam jedoch in Städten, wo der Bahnhof schon damals mitten in der Stadt lag, nicht in Frage. Deshalb wurden, vor allem im 20. Jahrhundert Bahnstrecken auf Stadtgebiet tiefgelegt oder sogar in Tunnels zum Hauptbahnhof geführt.
99 Jahre nach der Einweihung des neuen Bahnhofs waren in Biel erneut kluge Köpfe am Werk. Sie haben ein Projekt für einen Autobahnanschluss beim Bieler Bahnhof in der Versenkung verschwinden lassen. Das hat viele Planungsvorhaben rund um den Bahnhof völlig über den Haufen geworfen und zu Makulatur gemacht. So auch die Planung für einen Doppelspurausbau der BTI-Strecke zwischen Biel und Nidau.
Die Verantwortlichen der Aare Seeland Mobil AG, welche diese Regionalbahn betreiben, wollen nun die Gunst der Stunde nutzen und sich in diesem Planungsvakuum Grundstücke für die Doppelspur im Bahnhofperimeter sichern, notfalls durch Enteignung.
Skizze ZVG von privat betroffenem Eigentümer
Über die geplante Linienführung orientieren sie kaum bis gar nicht, denn Planung ist die Sache von Fachleuten; auch nach dem Westast-Desaster und zwei Jahren Dialogprozess scheint man nicht klüger geworden zu sein: Die Öffentlichkeit hat auf den Zuschauerbänken Platz zu nehmen und wird in der Regel informiert, wenn alles schon aufgegleist ist.
Sollte sich Aare Seeland Mobil mit ihren Plänen beim Kanton Bern durchsetzen (Stichwort Regionalplanung), wäre den kommenden Generation ein Ei ins Nest gelegt, das nicht einmal der Kuckuck aus dem selben holen würde.
Die Ausbaupläne sehen vor, dass die Doppelspur im zeitweiligen Viertelstundentakt zwischen Biel und Nidau auf einem Trassee geführt werden soll, das schon heute verschiedene Niveauübergänge mit Barrieren aufweist und – das ist wirklich der Hammer – an der zentralen Strassenkreuzung Murten-/Salzhausstrasse mit einer zusätzlichen Barriere ausgerüstet werden müsste (heute Bahnübergang mit Rotlicht und akustischem Warnsignal). Wer es nicht glaubt, mache sich beim Bundesamt für Verkehr kundig.
Die geplante Linienführung zementiert und verschlimmert zudem für mindestens die zwei nächsten zwei Generationen ein weiteres Problem der Bahnstrecke zwischen Biel und Nidau: Schon heute bildet die leidige BTI-Bahn-Barriere über die Bernstrasse die Hauptursache der regelmässigen Rückstaus für den Autoverkehr.
Ab 1926 ( Eröffnung der Strecke Nidau-Biel) verkehrte das BTI-Bähnli auf der Strasse durch die SBB-Bahnunterführung zum Bieler Bahnhofplatz , weil die Aufschüttung eines weiteren Bahndamms zwischen Biel und Nidau nicht in Frage kam. 1975 wurde die Bahnlinie auf den letzten 150 Metern unterirdisch (d.h. auf Strassenniveau) in den Bahnhof Biel geführt.
Es wäre nun an der Zeit, dass Bahnbetreiber:innen und Planer:innen die Situation mit Blick auf die Region von Grund auf neu beurteilen und sich über bestehende Denkverbote hinwegsetzen. Die einzige zukunftsfähige Lösung, die notabene aus einem der nächsten Agglomerationsprogramme des Bundes mitzufinanzieren wäre, heisst METRO BIENNE.
Schnell und unterirdisch in 70 Sekunden von Nidau nach Biel SBB (und umgekehrt). Wie ein Tunnel im besagten Gebiet bergmännisch zu bauen ist, haben die Experten von WESTASTSONICHT zur Genüge dargelegt.
Damit gäbe es mit einem Schlag (und dem Verschwinden des BTI-Trassees auf Strassenniveau) keine Kreuzungs-Konflikte und keine Barrieren mehr zwischen Biel SBB und Bahnhof Nidau. Ein gordischer Verkehrspuffknoten für Biel und Nidau wäre gelöst…
Was es jetzt braucht, sind erneut kluge Köpfe, damit es 2123 heisst: «Die haben sich was gedacht, damals…»
P.S. Recht hat er:
DROHT NACH DEM WESTAST-AUS
DIE BTI-SCHNEISE?
Noch kein Jahr ist es her, dass der Enteignungsbann im Planungsperimeter für die Westast-Autobahn aufgehoben wurde. Nach Jahren des Stillstands und des angedrohten Verlusts ihrer Häuser konnten die Bewohner:innen und Liegenschaftsbesitzer:innen endlich aufatmen und wieder nach vorne schauen. Denn in einen Umbau oder in «nicht notwendigen» Unterhalt ihrer Häuser war ihnen während Jahren verboten gewesen, zu investieren.
Doch lange währte die Freude nicht. Denn schon drohen wieder Enteignung und Abriss, für ein nächstes Planungsmonster: Das Bahnunternehmen Aare Seeland mobil AG (asm) will zwischen dem Bahnhof Biel und Nidau den Doppelspurausbau. Laut eigenen Angaben werde dies zwar «erst ab 2040 ein Thema». Trotzdem gehen die Bahnbosse bereits heute auf Einkaufstour. Wohl mit dem Ziel, sich die während Jahren durch die Westastplanung blockierten Liegenschaften möglichst günstig zu sichern. Klar: Für die angepeilte Erweiterung des Bahntrassees braucht es zusätzlich Land.
Ein Teil der Liegenschaften an der Gurnigelstrasse, die dem Ausbau der BTI-Bahn weichen müssten, sind aktuell im Besitz des Kantons. Dieser hatte die Häuser im Hinblick auf deren Abriss für den Bau des Westasts gekauft – und will sie nun wieder abstossen. Da scheinen die Kaufinteressen von Seiten des Bahnunternehmens gerade recht zu kommen.
Akut bedroht von diesen Plänen ist aber auch das Schlachthofareal: Ein Blick auf die Karte lässt unschwer erkennen, dass die denkmalwürdige Villa an der Murtenstrasse 68 – das ehemalige Direktionsgebäude – dem Bahntrassee geopfert werden müsste. Dies, obschon die Denkmalpflege das Schlachthofareal als Gesamtensemble als schützenswert einstuft.
Besonders stossend an der Geschichte: Offenbar werden hier einmal mehr hinter verschlossenen Türen Weichen gestellt. Heimlich, still und leise. Ganzheitliche Stadtplanung unter Einbezug der betroffenen Bevölkerung, wie dies im Westast-Dialog versprochen wurde, geht anders!
Es ist kaum anzunehmen, dass man bei der Stadt Biel über die Ausbaupläne der asm nicht informiert ist. Nichtsdestotrotz hat Florence Schmoll, Leiterin der Stadtplanung Biel, gegenüber der IG Schlachthof Kulturzentrum in einem ausführlichen Gespräch noch Ende November 2021 wiederholt versichert, es gebe aktuell keine Planung für irgendwelche baulichen Veränderungen im Perimeter Salzhaus‑, Murten- und Gurnigelstrasse oder für das Schlachthofareal.
Fakt ist: Eine Trassee-Erweiterung für die BTI-Bahn würde neue Wunden ins historisch gewachsene Siedlungsgebiet zwischen Nidau und Biel schlagen. Dass dieser Ausbau vielleicht nice-to-have, aber weder dringend noch notwendig ist, wurde bereits von Verkehrsfachleuten untersucht und bestätigt.
Ob und wie die Linienführung der Biel-Täuffelen-Ins-Bahn (BTI) zwischen Nidau und Biel, die in der Tat einige Knackpunkte aufweist, erneuert und verbessert werden kann, müsste deshalb zwingend in einem umfassenden und partizipativen Entwicklungsprozess erörtert und erarbeitet werden. In eine solche Betrachtung einbezogen werden müsste insbesondere auch das unsinnige Verkehrshindernis mit Barrieren-auf-und-zu an der Querung Bernstrasse.
Warum eigentlich wurde bis anhin nie in Betracht gezogen, die BTI-Bahn zwischen Nidau und dem Bahnhof Biel unterirdisch zu führen? Mit einer solchen Tunnelvariante könnte tatsächlich Stadtraum geschont, gewonnen und aufgewertet werden!
Es geht nicht, dass die Automobil Seeland mobil AG mit dem Kauf von Liegenschaften nun vorprellt und die Weichen für einen Infrastrukturausbau stellt, der so noch gar nicht diskutiert, geschweige denn beschlossen ist.
Oder kommt es der Stadt Biel etwa gerade gelegen, dass die asm als Winkelried vorgeschickt wird, um das Schlachthof-Ensemble zu zerstören? Was zur Folge hätte, dass das verbleibende Areal an Toplage in Bahnhofsnähe ohne mühsame Opposition durch die Denkmalpflege einer lukrativen Nutzung zugeführt werden könnte…
Nachtrag:
Die Stadt Biel hat die von der IG Häb Sorg zur Stadt gestellte Frage gegenüber der Journalistin Deborah Balmer, die in dieser Sache gründlich recherchiert hat, indirekt beantwortet: Im Bieler Tagblatt vom Samstag, 15. Januar sagt Biels Stadtplanerin Florence Schmoll deutsch und deutlich: «Wir haben keine Kenntnis darüber, dass die ASM Ausbaupläne hegt.»
Mit anderen Worten: Die Stadt Biel wurde offenbar – im Gegensatz zur Gemeinde Nidau – von der ASM in Bezug auf deren Ausbaupläne bislang nicht kontaktiert. Und ist dem Vorhaben nicht positiv gesinnt, wie Florence Schmoll weiter ausführt: Es sei wichtig, wird sie im Bieler Tagblatt weiter zitiert, den Einfluss des ASM-Bähnlis auf das Stadtgebiet auch künftig klein zu halten: «Wir ziehen ein Nebeneinander von Autos und Bahn im Mischverkehr, so wie das heute der Fall ist, vor. Die Fläche, die die ASM beansprucht, muss auch in Zukunft so klein wie möglich sein.»
Eine gute Nachricht fürs Gurnigelquartier und den Schlachthof. Gleichzeitig hält die ASM jedoch daran fest, dass es aus ihrer Sicht bis in 20 Jahren einen Ausbau auf Doppelspur zwischen Nidau und Biel brauche. Eine Behauptung, die von Fachleuten bestritten wird. Auf die Fortsetzung der Geschichte darf man gespannt sein…
Bieler Tagblatt, 15. Januar 2022: