BYE BYE, BARBARA EGGER

Ein letzter Jubelauftritt in Biel. Wie gewohnt mit einer Schere in der Hand. Diesmal allerdings nicht um ein paar Kilometer Autobahn einzuweihen.

An der Schnur, die Baldnichtmehr-Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer mit ihrer Schere durchschneidet, hängt eine Flasche, die alsbald auf den Bug des neuen Bielerseeschiffs «MS Engelberg» knallt. Scherben klirren und Schaumwein spritzt. Barbara Egger strahlt an diesem Maientag wie ein Maikäfer.

Es ist ihr letzter offizieller Auftritt als Regierungsrätin. Nach langen 16 Jahren im Amt, hat sie bereits ihr Direktionsbüro an der Reiterstrasse 11 in Bern geräumt und die Schlüssel ihrem Nachfolger, SVP-Regierungsrat Christoph Neuhaus, übergeben.

In ihrem letzten Newsletter hat die abtretende Bau‑, Verkehrs- und Energiedirektorin bereits vor zwei Wochen Bilanz gezogen. Und von sich selber das beeindruckende Bild einer umtriebigen, innovationsfreudigen und zukunftsorientierten Politikerin gezeichnet, die die Entwicklung im Kanton Bern Schritt für Schritt in Richtung Nachhaltigkeit gelenkt habe.

Ihre Liste «meiner wichtigsten Projekte von 2002–2018» zeichnet sich denn auch durch atemberaubende Länge und Vielfalt aus. Sie reicht von der «Schaffung eines modernen Abfallgesetzes» im Jahr 2002 über die Initiative «Mühleberg vom Netz» bis zum Tram Bern-Ostermundigen.

Beeindruckend aber vor allem die unzähligen Strassen, die in Eggers Amtszeit geplant, gebaut und eingeweiht worden sind. Vehement hat sie sich dabei immer wieder erfolgreich auf die Seite der Strassenbauer geschlagen. Eindrückliche Beispiele dafür sind etwa der prachtvolle Wankdorfkreisel in Bern, die grosszügige A16 Transjurane oder der im letzten Oktober eingeweihte A5-Ostast in Biel.

Vehement hat Barbara Egger jahrelang auch dessen Zwillingsprojekt, die A5-Westast-Autobahn mit den innerstädtischen Anschlüssen, vorangetrieben und gegen alle Einwände verteidigt. Ihr letzter Coup in dieser Sache war die regierungsrätliche schroffe Absage an eine Prüfung des Westast-so-besser-Projekts vom 16. Mai. 

Schon vor zwei Jahren hatte Barbara Egger im Interview mit der Zeitschrift Hochparterre klipp und klar kommuniziert: «Andernorts sind diese Strassen längst gebaut – in der Region Biel plant man schon seit Jahrzehnten und hat sich nun für diese Lösung entschieden.» Es gebe kaum ein anderes Autobahnstück in der Schweiz, über das so intensiv diskutiert worden sei, wie der Westast in der Region Biel. Deshalb sei es nun höchste Zeit, das Geplante umzusetzen.

In der Tat: Als Barbara Egger das Westast-Dossier 2002 von ihrer Vorgängerin Dori Schär erbte, hatte die geplante Autobahn bereits eine bewegte Geschichte hinter sich. Und nun kamen noch neue Sicherheitsvorschriften hinzu. Deren Folge: Während Eggers Amtszeit musste der Westast völlig neu geplant und mehrfach überarbeitet werden.

Damals wäre die Baudirektorin durchaus bereit gewesen, die Weichen neu zu stellen, wie sie betonte: «Für mich wäre auch die Null-Variante eine Option gewesen.» Als dann aber die Arbeitsgruppe Stöckli 2010 den Grundsatzentscheid für die Beibehaltung der beiden geplanten innerstädtischen Anschlüsse fällte, stellte sich die Baudirektorin voll und ganz dahinter.

«Ich war nicht von jeder Lösung, von jedem Projekt von Beginn weg überzeugt. Wenn ich aber überzeugt war, dann habe ich es durch alle Böden hindurch verteidigt», erklärte Barbara Egger diese Woche im Regionaljournal auf Radio SRF. Ergänzend kann man sagen: Durch alle Böden, und mit allen Mitteln.

So erinnern sich ehemalige Mitglieder der Begleitgruppe, die zur sogenannt «partizipativen» Entwicklung des Westast-Projekts eingesetzt wurde, wie Partizipation à la Egger (und Stöckli) ausgesehen hat: An den halbjährlich stattfindenden Veranstaltungen wurden die Mitglieder durch Egger und die Projektleiter über den neusten Stand der Arbeiten informiert – es gab weder Zeit noch Raum für kritische Fragen, geschweige denn Diskussionen über Alternativen. Zudem war es den Teilnehmenden untersagt, sich gegenüber den Medien zu äussern.

Bei Eggers Tiefbauamt, das bei der Westast-Planung federführend war, hielt man sich mit Informationen über das Projekt gegenüber der Öffentlichkeit bewusst zurück. Weil Zeitungsberichte den Widerstand wecken könnten, was unangenehm und mühsam sei, wie ein ehemaliger Chefbeamter freimütig einräumte. So konnte sich die breite Öffentlichkeit erst ein Bild über die Dimensionen der geplanten Westast-Autobahn machen, als das Ausführungsprojekt im Frühling 2017 aufgelegt wurde.

Der wachsenden Opposition in Biel begegnete die Magistratin mit Abgeklärtheit. Es sei normal, dass sich beim Näherrücken des Baubeginns ein gewisser Widerstand bemerkbar mache, das gehöre zu einem solchen Projekt, lautete ihr Kommentar. Bis im letzten Spätsommer der Druck von der Strasse grösser wurde, und sich SP-Stadtpräsident Erich Fehr und SP-Regierungsrätin Egger auf eine neue Floskel einigten: Falls ein Projekt mit einer «gleichen verkehrlichen Wirkung» vorgelegt würde, wäre man bereit, zu prüfen…

Nun, am Ende ihrer Amtszeit hat Barbara Egger noch einmal auf Powerplay gesetzt und der geforderten Diskussion eine Absage erteilt. Mit der gleichen Vehemenz, mit der sie jahrelang für ihre Projekte gekämpft hat, tut sie dies auch für den A5-Wesatst, bis zur letzten Stunde im Regierungsamt. Und vielleicht auch darüber hinaus…

So denkt Barbara Egger bereits laut über eine Ständeratskandidatur nach, falls Hans Stöckli – ihr alter Westast-Weggefährte, 2019 nicht mehr antreten sollte. Es ist aber auch gut möglich, dass Peter Moser vom Komitee Pro-Westast ihrem neuen Beratungsbüro (laut «Bund» Egger-Jenzer und drei weitere Frauen – Name des Büros noch nicht bekannt) ein Mandat erteilt, um die etwas ins Schleudern geratene Autobahn wieder auf Kurs zu bringen.

Moser und Egger verbindet nämlich eine Vision: Vor Jahren haben der mittlerweile 70jährige FDP-Politiker und die 61jährige Barbara Egger abgemacht, dass sie dereinst gemeinsam die Einweihungsfeierlichkeiten der A5-Westastautobahn besuchen und auf das endlich geglückte Projekt anstossen und wie in alten Zeiten zur Schere greifen wollen.

Während der gleichzeitig abtretende Regierungsrat HJK Hans-Jürg Käser sich seiner Modelleisenbahnleidenschaft zuwenden will, ist zu befürchten, dass Barbara Egger Jenzer sich nicht der klassischen Scherenschnittpassion hingeben wird, sondern weiter umtriebig dabei ist, wenn sogenannt nachhaltig und innovativ neue Strassen in ihrem früheren Wirkungsgebiet eröffnet werden. Wir wetten mal, dass der A5-Westast nachhaltig nicht dazu gehören wird.

 

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