Was gibt es schöneres, als in Paris dem Ufer der Seine entlang zu schlendern. Am Wasser, unter Bäumen und sogar mitten auf der ehemaligen Expressstrasse laden schattige Plätze, Bänke und Kaffees zum Verweilen.
Der Blick schweift über das Wasser. Ein Maler fängt mit seinem Pinsel die Stimmung ein. Paare flanieren vorbei, Mütter und Väter mit Kinderwagen, aufgeregte TouristInnen, JogerInnen, spielende Kinder – PassantInnen auf Fahrrädern und Elektroscootern.
Jahrzehntelang dominierten an den Ufern der Seine die Autos. Schritt für Schritt wurde Paris in der Nachkriegszeit zur «autogerechten Stadt» umgebaut: Schnellstrassen mitten durchs Zentrum, auf denen sich der motorisierte Verkehr immer wieder staute. Es wurde immer schlimmer: Blechlawinen am Flussufer, Gestank in der Luft, überhandnehmende Umweltverschmutzung. Keine Spur von Lebensqualität oder Romantik an der Seine, im Herzen von Paris…
Auf der Höhe des Hôtel de Ville erinnert eine Gedenktafel an die 1967 eingeweihte Expressstrasse entlang dem rechten Seineufer, die 1972 zu Ehren des damaligen Präsidenten in Voie Georges Pompidou unbenannt wurde. Damals war das Automobil noch Symbol von Freiheit und Fortschritt…
Heute blockieren zwei Poller den Zugang zur einstigen Schnellstrasse: Seit dem Frühjahr 2017 ist die Strasse am rechten Seineufer auf einer Strecke von über 4,5 Kilometern für den Autoverkehr gesperrt… Schnell moutierte die autobefreite Voie Pompidou zu einer vielfältig belebten grünen Oase…
Auch vom linken Seineufer – zwischen dem Musée d’Orsay bis fast zum Eiffelturm – hat die Stadtregierung die Autos verbannt. Dieser rund 2,5 Kilometer lange Strassenabschnitt wurde schon 2013 der Bevölkerung zurückgegeben und lädt seither zum Verweilen und Geniessen ein.
«Piétonnisation» nennt sich das in Paris. Anne Hidalgo, die visionäre Bürgermeisterin hat das Projekt, welches schon von ihrem Vorgänger angestossen und eingeleitet worden war, in den letzten Jahren mit voller Kraft vorwärts gebracht. Mit breiter Unterstützung der Bevölkerung — und gegen erheblichen Widerstand der Autolobby.
Die Verbannung der Autos vom malerischen Seineufer schafft Platz für neue Entwicklungen, Begegnungen und andere Formen der Mobilität. Allerdings reicht es nicht, die Autos allein aus dem Zentrum fernzuhalten. Am Beispiel von Paris lässt sich gut zeigen, was es braucht, um eine zukunftsfähige und menschengerechte Verkehrspolitik nachhaltig zu befördern:
Es braucht eine Reihe von Massnahmen, die es den Menschen ermöglichen, den Stadtraum anders als mit dem Auto zu nutzen. PendlerInnen brauchen Alternativen, Velo‑, Scooter- und Fussverkehr mehr Platz und Sicherheit.
Deshalb beschränkt man sich in Paris nicht bloss auf die Aufwertung der Flaniermeile entlang der Seine: Schritt um Schritt werden überall in der Stadt bisher vom Autoverkehr dominierte Strassen für andere Verkehrsmittel attraktiv und sicher gemacht.
Die Wandlung von der auto- zur menschengerechten Stadt ist in vollem Gang: Überall stösst man auf Baustellen, Verkehrsführungen und Signalisationen werden umgekrempelt.
FussgängerInnen sowie Velo- und ScooterfahrerInnen erhalten konsequent mehr Platz. Der sogenannte «Langsamverkehr» hat Priorität – seine Vorteile werden publik gemacht. Dies nicht zuletzt mittels Signalisationen, die aufzeigen, dass man im Zentrum von Paris mit dem Velo in der Regel schneller vorwärts kommt, als mit dem Auto…