VERKEHRSPOLITIK VON VORGESTERNSTOPP DER VERSCHLEUDERUNG VON STEUERGELD!

Die Verankerung der Biodiversität in der Verfassung ist vom Tisch. Die Schlagwortkampagne der vereinten Bauern, Bau- und Stromwirtschaft hat das von ihr herbeigewünschte Abstimmungsergebnis erzielt.

Und schon folgt der nächste Streich der schlagkräftigen Wirtschafts- und Wachstumslobby. Nur zwei Tage nach dem gewonnenen Abstimmungskampf lädt sie ins Medienzentrum des Bundeshauses nach Bern: Auf zur nächsten Wort- und Bilderschlacht!

Mit einem Grossaufgebot von sieben National- und Ständerät:innen der Parteien Die Mitte, FDP und SVP will uns das Komitee «JA zur Sicherung der Nationalstrassen» einreden, dass wir am 24. November sechs Autobahn-Ausbauprojekte bewilligen sollen. Kostenpunkt rund 5 Milliarden Franken.

Schon der Name des Komitees ist grundfalsch: Unsere bestehenden Nationalstrassen sind gesichert. Sie werden nach Schweizer Qualitätsstandard unterhalten und repariert. Ja, sie gehören sogar zu den am besten unterhaltenen, sichersten Strassen der Welt!

Das hat auch seinen Preis: Allein den betrieblichen Unterhalt der Autobahnen lassen wir uns jährlich gegen 400 Millionen Franken kosten – dazu gehören Arbeiten wie die Reinigung, der Winterdienst oder die Betriebs- und Sicherheitsausrüstungen für die zahlreichen Tunnels hierzulande.

Hinzu kommen Kosten in Milliardenhöhe, die wir jährlich für notwendige Sanierungsarbeiten der bestehenden Autobahnen ausgeben. Dies alles ist unbestritten und gehört zur unabdingbaren, wichtigen Sicherung unserer Nationalstrassen. Dass diese Ausgaben im Parlament durchgewinkt werden, ist jeweils so sicher wie das Amen in der Kirche. Doch das scheint der bürgerlich gelenkten Mehrheit in Bundesbern nicht zu genügen.

Um was es dem Komitee tatsächlich geht, ist nämlich etwas ganz anderes als die «Sicherung» unserer Autobahnen: Was seine Mitglieder wollen, ist eine zusätzliche Erweiterung der Autobahnkapazitäten – ein unnötiger und schädlicher Luxus.

Konkret handelt es sich um sechs Projekte, die alle lokal äusserst umstritten sind. Trotzdem haben Bundesrat und Parlament 2023 die Ausbauprojekte und den dafür notwendigen Baukredit verabschiedet. Auf Parlamentsebene hat die Auto-Lobby bereits gewonnen. 

Im Zentrum steht dabei das alte, vielfach widerlegte und trotzdem immer wieder wiederholte Argument, dass durch die Erweiterung von Strassenkapazitäten Stau vermindert und verhindert werden könne. Dazu der Mobilitätsforscher Thomas Sauter-Servaes in einem Interview mit dem Mobility-Magazin: «Es ist bedauerlich, dass wir das alte Leitbild des heutigen Verkehrssystems in die Zukunft betonieren. Es gibt in der Mobilität ein Sprichwort, das die Wissenschaft immer wieder bestätigt hat: Wer Autobahnen sät, wird Verkehr ernten.»

Es ist absolut unverständlich, dass in der heutigen Zeit, wo der Schutz unseres Klimas, die dringend notwendige Reduktion der Treibstoffemissionen und eine Reduktion namentlich des motorisierten Individualverkehrs ganz oben auf der Agenda stehen müssten, eine Mehrheit unserer Parlamentarier:innen immer noch den Strassenbau vorantreiben will.

Eigentlich wäre es nichts weniger als ein Zeichen der Vernunft, angesichts der klammen Bundesfinanzen die geplanten Kapazitätserweiterungen bei den Autobahnen einfach mal zu sistieren: Statt wie aktuell vorgesehen durch Streichung von Sozialleistungen, Entwicklungsbeiträgen oder Investitionen in Klimamassnahmen 4,4 Milliarden vom Bundesbudget abzuschränzen, könnte das Loch in der Bundeskasse mit den Autobahn-Ausbau-Milliarden in beachtlichem Mass verringert werden.

Stattdessen läutet das JA-Komitee, mit tatkräftiger Unterstützung von UVEK-Bundesrat Albert Rösti eine Abstimmungskampagne ein, die – wie schon bei der Biodiversitäts-Initiative erprobt– nicht vor Angstmacherei, Lügen und der Unterschlagung von Fakten zurückschreckt.

So prognostiziert das Bundesamt für Strassen ASTRA etwa, dass der volkswirtschaftliche Nutzen des geplanten Autobahnausbaus jährlich 184 Millionen betragen würde. Allerdings basieren diese Berechnungen auf einer veralteten und falschen Berechnungsmethode aus dem Jahr 2009. Nach der neuen Norm, die in der Praxis – ausser beim Bund – längst angewandt wird, würde der so errechnete «Gewinn» um fast 70 Prozent schrumpfen. Das ASTRA hält jedoch an seinen alten Zahlen fest – mit dem lachhaften Hinweis, auf Bundesebene trete die neue Norm erst nach der Abstimmung in Kraft.

Auch sonst glänzt das ASTRA (wie gewohnt) mit zentralistischer Arroganz gegenüber regionalen und lokalen Bedürfnissen und Intransparenz, ganz wie es den Autobahnfans im Departement Rösti gefällt. Ein schlagendes Beispiel ist die Planung der sogenannten «Engpassbeseitigung Autobahn N4, Schaffhausen», wo der Stadt durch den geplanten Ausbau des Fäsenbergtunnels und dem damit verbundenen neuen Autobahnanschluss Mutzentäli unerwünschter Mehrverkehr und eine massive Beeinträchtigung des Ortsbildes droht.

Die Opposition gegen dieses Mammutprojekt – budgetierte Baukosten 473 Millionen, Bauzeit 8,5 Jahre – kämpft in der IG Fäsenstaub gegen dieses Projekt – und folgerichtig auch für ein NEIN am 24. November.

Ihre Argumente und Einwände erhalten neuerdings zusätzlichen Aufwind durch eine Untersuchung, die von der Schaffhauser Stadtregierung in Auftrag gegeben wurde: In ihrer Studie kommen die Expertenbüros Basler&Hofmann und Van de Wetering Städtebau zum Schluss, das ASTRA-Projekt weise «äusserst schwierige räumliche Eingriffe auf», die Auswirkungen des massiven Ausbaus der Verkehrsinfrastruktur auf die Stadtentwicklung seien nicht berücksichtigt und würden sich sogar negativ auf die regionale Wirtschaft auswirken.

Das Fazit der Experten ist unmissverständlich: «Diese Einseitigkeit des Projekts in der heutigen Zeit ist frappant und unterscheidet sich von vergleichbaren, stadtnahen Autobahnplanungen in der Schweiz. Gleichzeitig wurden viele neue Erkenntnisse und Anforderungen nicht berücksichtigt.»

Jegliche Versuche von Seiten der Stadtregierung, mit dem ASTRA Verbesserungen des Projekts zu diskutieren, sind bislang gescheitert. Mehr noch: Die ursprünglich für 2023 geplante öffentliche Planauflage des Projekts wurde wiederholt verschoben. Sie soll – welch ein Zufall – erst nach der Abstimmung vom 24. November stattfinden. 

Auch das ist nicht neu: UVEK-Chef Rösti erkennt man an seinem Stil, immer wieder entscheidende Unterlagen, Details und Fakten unter Verschluss zu halten, auf dass sie seinem gewünschten Abstimmungsresultat nicht in die Quere kommen. So geschehen bereits beim Stromgesetz wie auch bei der Biodiversitäts-Initiative.

Noch bleiben zwei Monate Zeit bis zur Abstimmung. Sorgen wir dafür, dass wir es diesmal schaffen, die Autobahn-Milliarden mithilfe von Fakten und den richtigen Zahlen aus den Klauen der Autobahnfraktion zu befreien – auf dass die rund 5 Milliarden Franken sinnvoller und gewinnbringend eingesetzt werden können!

STEINIGER WEG ZUR VELOSTADT BIEL/BIENNE

Montag, 3. Juni – 17.40 Uhr am Desk der Velostation in Biel. Im schmalen Raum grosser Andrang, dicke Luft. Harte Worte, verständnisloses Kopfschütteln und zwei Mitarbeiter, die versuchen, das Ganze mit stoischer Ruhe über sich ergehen zu lassen.

Eigentlich müsste es ein Moment der Freude sein: Die Bieler Velostation hat an diesem Morgen, nach neunmonatiger(!) Betriebspanne, ihren Betrieb endlich wieder aufgenommen. Konkret: Das Schliesssystem für die Türen funktioniert wieder. Monatelang standen die Velos hinter einem offenen Tor, jeder und jede hatte freien Zugang – auch die Fahrraddiebe…

Jetzt sind die Velos also wieder geschützt und können nur mit einem gültigen, das heisst neuen Badge geöffnet werden. Dieser muss am Schalter, der gerade an zwei Tagen pro Woche je eineinhalb Stunden geöffnet ist, erstanden werden.

Alle Nutzerinnen und Nutzer, das war schon vor der Panne so, müssen ein Formular ausfüllen, in welchem sie ihre Personalien angeben. Zur Kontrolle ist ein Personalausweis vorzulegen.

Ein Velobesitzer studiert das Formular und wird laut. Er ist nicht bereit, nach den Erfahrungen der letzten Monate hundert Franken für ein Jahresabo hinzublättern, zumal unklar ist, ob die Velostation während den kommenden 12 Monaten auch wirklich zuverlässig funktioniert. Tatsächlich steht ein weiterer Kunde neben ihm am Desk, der seinen Badge schon gekauft hat – dieser funktioniere aber nicht …

Bereits vor dem vollständigen Zusammenbruch des Zugangssystem im September 2023 kam es immer wieder vor, dass die Türen nicht geöffnet oder geschlossen werden konnten, oder das Licht in der Station nicht funktionierte und man sich im Dunkeln sein Velo ertasten musste.

Statt der erhofften Verbesserung der Situation, sehen sich die Nutzer:innen der Velostation mit der Wiederinbetriebnahme mit einem massiven Service-Abbau konfrontiert: Das praktische und beliebte 12er Abo wurde aus dem Angebot gestrichen, wer sein Velo am Bahnhof Biel in einem geschlossenen Raum parkieren will, muss neuerdings ein Monats- oder Jahresabonnement kaufen.

Zwar können auch Einzeleintritte für im Voraus bestimmte Daten gelöst und je einzeln auf einen Badge geladen werden. Für jeden Badge ist ein Depot von CHF 10.— zu hinterlegen, und das wiederum nur während der kundenunfreundlich-minimalstisch agesetzten Schalterstunden (Montag 16.30–18 Uhr und Freitag, 11.30 bis 13 Uhr) zurückgefordert werden kann… Kurzum: Das ganze System ist – im Zeitalter von Bezahlautomaten und Apps ein absoluter Hohn.

Neu dürfen in der Velostation zudem nur noch «normale Velos und leichte E‑Bikes abgestellt werden. Ausgerechnet teurere Fahrzeuge wie E‑Mountainbikes, Cargovelos, Veloanhänger oder Tandems, die einen Extra-Diebstahlschutz bräuchten, müssen draussen bleiben. «Aus Platzgründen», sagt der Mann am Schalter. Dabei ist das Bahnhof-Parking, wo sich die Velostation befindet, seit Jahren überhaupt nicht ausgelastet. Statt die unbenutzten Autoparkplätze weiterhin leer stehen zu lassen, könnte hier problemlos weiterer Platz für Cargo-Velos und weitere Fahrzeuge des umweltfreundlichen Verkehrs geschaffen werden.

Das Trauerspiel rund um die Bieler Velostation zeigt einmal mehr, dass die Verantwortlichen in der Stadt Biel offenbar bis heute nicht begriffen haben, wie eine moderne Mobilitätspolitik auszugestalten ist. Noch immer steht das Auto im Mittelpunkt – so ist es nur logisch, dass die Bieler Velostation vom internationalen Parkhaus-Konzern APCOA betrieben wird. Dieser verdient sein Geld mit der Vermietung von Autoparkplätzen. Das Geschäft mit den Velos scheint für ihn nicht von Interesse, und er hat damit offenbar kaum Erfahrung.

APOCA betreibt die Velostation im Auftrag der Stadt, genauer gesagt der Parking Biel AG, in deren Verwaltungsrat die Grüne Bieler Gemeinderätin Lena Frank, SVP-Finanzdirektor Beat Feurer sowie Yanick Jolliet, Leiter des Hochbauamts Biel und André Glauser, der Leiter Öffentliche Sicherheit der Stadt Biel sitzen. Mit anderen Worten: Die Verantwortung für eine funktionierende, benutzerfreundliche Velostation liegt bei den Stadtbehörden.

Diese rühmt sich spätestens seit dem Westast-Debakel gerne für ihr Engagements für den ÖV und den sanften Verkehr. Doch mit dem Promoten von Mobilitätskonzepten und PR-Aktionen wie etwa letzten Sommer an der Collègegasse ist es nicht getan. Damals weihten Stadtpräsident Erich Fehr und Baudirektorin Lena Frank gemeinsam einen sage und schreibe 100 Meter kurzen neuen Veloweg in der Innenstadt ein und liessen sich medienwirksam bei der Montage des entsprechenden Verkehrsschilds ablichten…

Sie hätten stattdessen besser die Website des Forums Velostationen Schweiz studiert. Diese bietet einen informativen Überblick über die verschiedenen Systeme, die aktuell in Betrieb sind. Besonders attraktiv: Die Plattform velocity.ch bietet zusammen mit Swisspass ein online Zugangssystem, das schweizweit von St. Gallen bis Genf bereits bei über 50 Velostationen in Betrieb ist und einen niedrigschwelligen, effizienten Zugang zu sicherem Parkieren von Fahrzeugen des sanften Verkehrs ermöglicht.

Und Biel?

Macht keine Anstalten in die Premier Ligue der Velostädte aufsteigen zu wollen.

 

Verwüstung in Raten

Ein Herbstspaziergang, der nachdenklich stimmt: Schon bald soll der schöne Rebhang von Wingreis zur Baustelle mutieren, das Ostportal des Twanntunnels wird anschliessend die Landschaft dauerhaft verschandeln.

Die goldleuchtende Pracht ist dann genauso Geschichte, wie der köstliche Wein dieser Trauben. Darüber hinaus droht dem schmucken Haus von Annemarie Und Ronald Wüthrich der Abbruchhammer – für die Erstellung eines Bauinstallationsplatzes!
 
 
Ein Skandal – vor allem auch, wenn man bedenkt, dass die Reblandschaft am Nordufer des Bielersees zu den ältesten geschützten Landschaften der Schweiz gehört. Bereits 1933 gründeten weitsichtige Menschen den Verein Bielerseeschutz (VBS) mit dem Ziel, das einmalige Natur- und Kulturerbe der Bielerseeregion nachhaltig zu schützen.
 
 
Einiges ist gelungen. Allerdings konnte der Verein den schlimmsten «Sündenfall» – den Ausbau von Strasse und Bahn entlang dem engen Nordufer in den 1970er Jahren – nicht verhindern. Im vom VBS herausgegebenen Bielerseebuch 1973 bedauern die Verantwortlichen denn auch, dass ihr Kampf gegen diese zerstörerische Verkehrsinfrastruktur damals vergebens war – und haben trotzdem noch Hoffnung:
 
«Obwohl es heute müssig ist, über die Richtigkeit des Grundsatzentscheides zu diskutieren, ob vor allem der Ausbau der linksufrigen Seestrasse richtig gewesen sei oder nicht: die hiesige Bevölkerung, die die Landschaft vor dem Eingriffe gekannt hat, wird noch lange die schweren Narben nicht ohne Erbitterung oder bestenfalls Resignation betrachten können.» (…)
 
 
«Warum hat der VBS diese Bauten nicht verhindert? Unnötig zu sagen: er hätte es noch so gern getan, allein es fehlten die Möglichkeiten. Möglich blieb nur, mit den zuständigen Planungsinstanzen über die «Schadensminderung» zu sprechen, Begehren anzubringen, Wünsche anzumelden. Bevor eine fruchtbare Zusammenarbeit zustande kam, stand jedoch bereits in Alfermée die von den SBB errichtete Stützmauer, die von der Bevölkerung den träfen Namen «Schandmauer» erhalten hat. Seither hat sich indessen zwischen dem Autobahnamt und auch den SBB einerseits, den Gemeinden und dem VBS andererseits eine Zusammenarbeit angebahnt, in der versucht wird, das Landschaftsbild bei der Verwirklichung er beschlossenen Bauten so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Auch so bleiben die Narben schwer und hässlich genug, und es bleibt nur die Hoffnung, eine gütige Natur werde den Sünden unserer Zeit in Zukunft eine gewisse Patina angedeihen lassen.
 
Was bringt die Zukunft? Niemand kann es wissen. Die Aufgaben des VBS werden vermutlich wachsen statt schwinden. An Arbeit wird’s nicht fehlen. Oberstes Ziel bleibt, den Bielersee und seine Umgebung so zu erhalten und so zu gestalten, dass die Bevölkerung Freude daran haben kann, und diesen Quell der Freude der Bevölkerung auch zugänglich zu machen.»
 
 
50 Jahre später wissen wir: Keine Patina kaschiert die Bausünden entlang dem Bielersee Nordufer. Im Gegenteil: Es ist immer noch schlimmer geworden – die aktuellen Baustellen zur Sicherung von Strasse und Bahnlinie tragen nichts zur Verschönerung der Landschaft bei. Im Gegenteil.
 
Und es geht immer weiter, mit der Zerstörung: Noch bevor das Ostportal des Twanntunnels für Verwüstung sorgen wird, verschwindet ein weiteres Stück Naturlandschaft. Es wird dem Bau des Ligerz-SBB-Tunnels, resp. dessen Ostportal geopfert: Die bunte Herbstpracht oberhalb der Fischereianstalt zwischen Ligerz und Twann wird vermutlich schon im nächsten Jahr durch Betonwände verdrängt.
 
 
Muss es, darf es immer so weitergehen?
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