Unglaublich aber wahr: Der Bieler Stadtpräsident observiert im Auftrag des Berner Regierungsrats einen Bieler Stadtpolitiker, der sich im Komitee «Westast so nicht!» engagiert. An der GV des Komitees «Westast so nicht!» vom letzten Mittwoch sollte der grüne Stadtrat und Biologe Urs Känzig zum Präsidenten des Vereins gewählt werden. So stand es in der Traktandenliste.
Aber es kam anders: Als man nach Genehmigung der Jahresrechnung und Annahme der neuen Statuten zu den Wahlen vorrückte, betrat der designierte Präsident das Podium – und erklärte den rund 120 anwesenden Vereinsmitgliedern, weshalb er auf das Amt verzichten müsse. Der Grund: Am Vortag hat Urs Känzig, der als Leiter der Abteilung Naturschutz beim Kanton arbeitet, von seinem Chef, SP-Regierungsrat Christoph Ammann, einen Telefonanruf erhalten. Wie an der Generalversammlung zu erfahren war, erklärte SP-Regierungsrat Ammann, die SP-Baudirektorin Barbara Egger sowie «ein Bieler Grossrat und weitere Persönlichkeiten aus Biel» hätten ihn, aufgefordert, bei Känzig zu intervenieren und dafür zu sorgen, dass er auf das Amt verzichte. Sein Engagement gegen das aktuelle Ausführungsprojekt für den A5-Westast mitten durch Biel könnte Nachteile für sein Amt bringen.
Damit nicht genug: Anlässlich des Telefongesprächs hat Urs Känzig auch erfahren, dass er bereits seit rund sechs Monaten unter Beobachtung steht: Ammann hat ihm nämlich auch mitgeteilt, er hätte den Bieler Stadtpräsidenten Erich Fehr gebeten, ihm mitzuteilen, falls sein Abteilungsleiter – im Rahmen des Komitees «Westast so nicht!» – in Biel zu viele Aktivitäten entfalten sollte… Methoden, wie im Staate Erdoğans, bemerkte ein Komitee-Mitglied an der Generalversammlung. Offenbar fehlen den Befürwortern des A5-Westasts die Argumente. Deshalb versuchen sie nun, mit allen Mitteln – auch solchen, die der schweizerischen Demokratie unwürdig sind – jene zum Schweigen zu bringen, die das umstrittene Autobahnprojekt hinterfragen. Ein No-Go – und ein Eigengoal für Egger, Moser, Fehr und Co!
Wenn ein 40-Tönner in Nidau an der Kirche vorbei brettert, hat man das Gefühl, das Städtchen bebt. Während Stosszeiten wälzt sich eine zähe Kolonne durch die Hauptstrasse. Oft kommt es zu Rückstaus. Kein Wunder: Auf der kurzen Strecke von rund 300 Metern werden FussgängerInnen an fünf Stellen mittels Zebrastreifen über die Fahrbahn gelotst, was ein ständiges Stop and Go sowie Lärm und Gestank provoziert. Das könnte sich bald ändern: Breitere Trottoirs, eine schmälere Fahrbahn und Tempo 30 ermöglichen die Schaffung einer sogenannten Begegnungszone, inklusive Aufhebung der Fussgängerstreifen. Dies das neue Konzept für die Ortsdurchfahrt von Nidau. Ein Modell, das sich in Köniz seit 12 Jahren bewährt hat:
Der Ortskern der Berner Vorortsgemeinde, der einst im Verkehr zu ersticken drohte, konnte massiv aufgewertet werden: Die Begegnungszone, in der alle VerkehrsteilnehmerInnen aufeinander Rücksicht nehmen, erlaubt auch an der viel befahrenen Hauptstrasse eine lebendige Nutzung des öffentlichen Raums. Die Situation in Köniz ist mit jener in Nidau durchaus vergleichbar, auch das Verkehrsaufkommen von durchschnittlich 18’000 bis 20’000 Fahrzeugen pro Tag, mit ausgeprägten Stosszeiten. Die Vorteile sind offensichtlich: VerkehrsteilnehmerInnen müssen vermehrt Rücksicht aufeinander nehmen. Das Überqueren der Strasse wird sicherer, die Hauptstrasse ist nicht länger in erster Linie Transitstrecke – sie gehört allen, auch wieder dem Langsamverkehr.
Die breiten Trottoirs laden zum Verweilen ein. Die zahlreichen Restaurants und Cafés entlang der Hauptstrasse in Nidau können im Sommer vermehrt Plätze an der Sonne anbieten. Dank der Temporeduktion und der Verflüssigung des Verkehrs geht der Verkehrslärm zurück – das Stedtli lädt wieder zum Einkaufen, Flanieren, sich Treffen… Ein verführerisches Konzept, zumal es erhebliche Verbesserungen verspricht, ohne dass dafür Milliarden-Investitionen nötig sind. Es braucht dafür keine neuen Strassen, und schon gar keinen Westast. Wer nämlich seine Hoffnungen für eine Verkehrsberuhigung in Nidau auf die Westast-Autobahn setzt, liegt völlig falsch: Laut Verkehrsprognosen des Tiefbauamts bringt diese Luxusautobahn für die Verkehrssituation im Stedtli keine Entlastung. Eher das Gegenteil dürfte der Fall sein, insbesondere wenn all die baulichen Verdichtungen, die in der städtebaulichen Begleitplanung versprochen werden, tatsächlich Wirklichkeit werden.
Die Begegnungszone hingegen ist ein zukunftsfähiges Konzept, das schnell und kostengünstig umsetzbar ist. Zudem hat es sich nicht nur in Köniz bestens bewährt. Auch am Zentralplatz in Biel hat man längst positive Erfahrungen gemacht, mit der gegenseitigen Rücksichtnahme aller VerkehrsteilnehmerInnen.
Die Aussicht ist atemberaubend: Der Blick schweift von den Jurahängen über die denkmalgeschützten Hallen der ehemaligen GM-Autofabrik und das Schloss Nidau hinweg bis zum See – und weiter, über die einst prachtvollen, vom bekannten Sutzer Architekten Ludwig Friedrich von Rütte entworfenen und längst umgenutzten Gebäude des Bieler Schlachthofs, ins grüne Mühlefeldquartier.
Ein Rundblick, den Heinz und Rosmarie Lachat auch nach über vierzig Jahren nicht missen möchten. Kein Wunder, beginnt die Besichtigung der liebevoll eingerichteten 3,5‑Zimmerwohnung auf dem Balkon. Allerdings verderben neuerdings hässliche Zukunftsbilder den Panoramagenuss: Mit einer ausladenden Bewegung umschreibt Heinz Lachat die Ausmasse des geplanten Autobahnanschlusses Bienne Centre: Der Kreisel mit einem Durchmesser von 60 Metern und zwei Verbindungsrampen käme direkt vor ihre Haustüre zu liegen. «Das ist monströs!» ereifert sich Heinz Lachat. «Dieses ganze Westast-Projekt ist purer Grössenwahn und ein Verhältnisblödsinn!»
18 Jahre lang hat sich der heute 80jährige SP-Politiker als Mitglied des Stadtrats für die Entwicklung Biels engagiert, von 1994 bis 2002 sass er zudem im Bernischen Grossen Rat. Im Zusammenhang mit der N5 habe man früher stets von einer Umfahrungsstrasse gesprochen, um die Stadt zu entlasten. «Was aber jetzt gemacht werden soll, hat nichts mit Umfahrung zu tun», sagt Heinz Lachat bitter, «das ist eine Durchschneidung der Stadt.»
Als ehemaliger Buschauffeur kennt Heinz Lachat die Entwicklung des Verkehrs in Biel wie kaum ein anderer. In den letzten 40 Jahren habe sich viel verbessert, sagt er: «Früher fuhr man noch in beide Richtungen durch die Nidaugasse. Auf dem Zentralplatz, auf der Mühlebrücke und an der Dufourstrasse regelte ein Polizist den Verkehr – oft gab es im Zentrum ein Chaos.» Heute ist die Nidaugasse Fussgängerzone, der Zentralplatz und die Bahnhofstrasse sind verkehrsberuhigt… Auch die noch bestehenden Verkehrsprobleme seien lösbar, ist Heinz Lachat überzeugt. Allerdings nicht mit einer Autobahn: «Diese bringt keine Entlastung, sondern zusätzliche Autos.»
Das damals hypermoderne Hochhaus am Bahndamm war Heinz Lachat während seiner Busfahrten ins Auge gestochen. Als der Neubau 1964 fertig war, konnten sie gerade noch die letzte Wohnung im Parterre ergattern. Elf Jahre mussten sie auf ihre Traumwohnung im 6. Stock warten. Seither haben sie sich in luftiger Höhe ihr Zuhause liebevoll eingerichtet: Vom Badezimmer über die Küche, das Wohnzimmer – alles haben sie im Lauf der Zeit selber renoviert, erneuert, verschönert. Anfänglich hätten in allen 32 Wohnungen Schweizer gewohnt – heute hingegen sei ihr Haus ein Musterbeispiel, wie multikulturelles Zusammenwohnen funktionieren könne, erklären sie stolz. Dank dem engagierten Besitzer und der langjährigen Abwartin – der Seele des Hauses – sei das Haus heute in einem wesentlich besseren Zustand als noch vor ein paar Jahren.
Als das Ehepaar Lachat an der Murtenstrasse 71 einzog, wurden gleich gegenüber im Werk von General Motors Schweiz noch Autos produziert. Während der Stosszeiten, insbesondere bei Schichtanfang und ‑ende, war an der Ecke Salzhausstrasse-Murtenstrasse viel los. Lärm brachte auch der Schlachthof, wo die Tiere an Schlachttagen bereits ab vier Uhr morgens angeliefert wurden. «Das Muhen der Kühe und insbesondere das Quieken der Schweine war manchmal kaum auszuhalten», erinnert sich Rosmarie Lachat.
Trotzdem wollten sie nie weg: Die ideale Wohnlage, die Nähe zum Zentrum und zum Bahnhof, das Haus, die vergleichsweise günstige Miete – die über die Jahre selber gestaltete Wohnung mit den grosszügigen Zimmern, und natürlich die wunderbare Aussicht…
Die Befürworter des Westast-Anschlusses beim Bahnhof, bezeichnen die Ecke Murtenstrasse-Salzhausstrasse als einen Unort: Für Rosmarie und Heinz Lachat ist es das Gegenteil, nämlich Heimat. Auf die Frage, ob ihnen das Westast-Projekt Sorgen mache, sagt Rosmarie Lachat: «Laut neusten Informationen bleibt das Haus stehen. Wer aber will direkt über einem Autobahn-Loch leben?» Was dann? Die traurige und pragmatische Antwort von Heinz Lachat: «Wir sind jetzt 78 und 80 Jahre alt – Baubeginn ist frühestens in vier Jahren. Vielleicht werden wir ihn gar nicht mehr erleben müssen – und die Fertigstellung der Autobahn sowieso nicht.»
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