Wenn ein 40-Tönner in Nidau an der Kirche vorbei brettert, hat man das Gefühl, das Städtchen bebt. Während Stosszeiten wälzt sich eine zähe Kolonne durch die Hauptstrasse. Oft kommt es zu Rückstaus. Kein Wunder: Auf der kurzen Strecke von rund 300 Metern werden FussgängerInnen an fünf Stellen mittels Zebrastreifen über die Fahrbahn gelotst, was ein ständiges Stop and Go sowie Lärm und Gestank provoziert. Das könnte sich bald ändern: Breitere Trottoirs, eine schmälere Fahrbahn und Tempo 30 ermöglichen die Schaffung einer sogenannten Begegnungszone, inklusive Aufhebung der Fussgängerstreifen. Dies das neue Konzept für die Ortsdurchfahrt von Nidau. Ein Modell, das sich in Köniz seit 12 Jahren bewährt hat:
Der Ortskern der Berner Vorortsgemeinde, der einst im Verkehr zu ersticken drohte, konnte massiv aufgewertet werden: Die Begegnungszone, in der alle VerkehrsteilnehmerInnen aufeinander Rücksicht nehmen, erlaubt auch an der viel befahrenen Hauptstrasse eine lebendige Nutzung des öffentlichen Raums. Die Situation in Köniz ist mit jener in Nidau durchaus vergleichbar, auch das Verkehrsaufkommen von durchschnittlich 18’000 bis 20’000 Fahrzeugen pro Tag, mit ausgeprägten Stosszeiten. Die Vorteile sind offensichtlich: VerkehrsteilnehmerInnen müssen vermehrt Rücksicht aufeinander nehmen. Das Überqueren der Strasse wird sicherer, die Hauptstrasse ist nicht länger in erster Linie Transitstrecke – sie gehört allen, auch wieder dem Langsamverkehr.
Die breiten Trottoirs laden zum Verweilen ein. Die zahlreichen Restaurants und Cafés entlang der Hauptstrasse in Nidau können im Sommer vermehrt Plätze an der Sonne anbieten. Dank der Temporeduktion und der Verflüssigung des Verkehrs geht der Verkehrslärm zurück – das Stedtli lädt wieder zum Einkaufen, Flanieren, sich Treffen… Ein verführerisches Konzept, zumal es erhebliche Verbesserungen verspricht, ohne dass dafür Milliarden-Investitionen nötig sind. Es braucht dafür keine neuen Strassen, und schon gar keinen Westast. Wer nämlich seine Hoffnungen für eine Verkehrsberuhigung in Nidau auf die Westast-Autobahn setzt, liegt völlig falsch: Laut Verkehrsprognosen des Tiefbauamts bringt diese Luxusautobahn für die Verkehrssituation im Stedtli keine Entlastung. Eher das Gegenteil dürfte der Fall sein, insbesondere wenn all die baulichen Verdichtungen, die in der städtebaulichen Begleitplanung versprochen werden, tatsächlich Wirklichkeit werden.
Die Begegnungszone hingegen ist ein zukunftsfähiges Konzept, das schnell und kostengünstig umsetzbar ist. Zudem hat es sich nicht nur in Köniz bestens bewährt. Auch am Zentralplatz in Biel hat man längst positive Erfahrungen gemacht, mit der gegenseitigen Rücksichtnahme aller VerkehrsteilnehmerInnen.
Quelle: Bieler Tagblatt, 3.4.2017