«C’EST UN ORDRE !»

Am Dienstag, 4. Juli haben Angestellte der Stadt Biel erneut die Markierungen von den über 700 Westast-bedrohten Bäume weggerissen. Diesmal am helllichten Tage. Beim ersten Räumungseinsatz, zwei Wochen zuvor, agierten sie noch verschämt im Morgengrauen.

Auf die Bemerkung eines Passanten, dass die Zerstörung der Baummarkierungen keine gute Idee sei, wurde ihm kurz und bündig mitgeteilt: «C’est un ordre.»

Von wem der Befehl kam, wollte die junge Frau, die diese Arbeit wohl nicht zu ihrem Vergnügen – und möglicherweise gar gegen ihren Willen – ausführen musste, nicht sagen. Da es sich beim Abräumkommando aber offensichtlich um MitarbeiterInnen des Sicherheitsdienstes handelte, liegt die Vermutung nahe, dass die Order von dessen Direktor kam. Wie schon beim ersten Mal.

Denn nach der ersten gemeinderätlich verordneten Entmarkierungs-Aktion vom 21. Juni, machte in Biel folgende Geschichte die Runde: Damals waren bei der Stadt weder eine Beschwerde noch eine Anzeige eingegangen. Allerdings sollen zwei Westast-begeisterte Stadträte direkt bei Stadtpräsident Fehr interveniert und verlangt haben, er solle dringend dafür sorgen, dass die Markierungen verschwinden. Diese plakativen Hinweise auf den drohenden Kahlschlag infolge der Westast-Baustelle würden die Bevölkerung aufschrecken und der geplanten Autobahn schaden.

Erich Fehr kam diese Aufforderung jedoch höchst ungelegen. An besagtem Wochenende wollte er sich in seiner Festlaune nicht stören lassen, galt es doch, den neuen Park auf der Schüssinsel mit den vielen neu gepflanzten Jungbäumen einzuweihen. Da wollte er keine negativen Schlagzeilen riskieren.

Also verwies der Stadtpräsident seine beiden treuesten A5-Mitstreiter an Gemeinderats-Kollegin Barbara Schwickert: Für den Baumbestand sei die Baudirektorin zuständig, liess er verlauten. Deshalb gehe ihn die Sache mit den Baummarkierungen nichts an.

Für Fehrs grüne Kollegin war die Geschichte aber noch viel heikler, hatte sich doch ihre Partei kürzlich ausdrücklich gegen den Bau der A5-Westastautobahn durch Biel und Nidau ausgesprochen. Zudem: Eine grüne Gemeinderätin, die eine Aktion zur Rettung von Stadtbäumen unterbindet – peinlich!

Also reichte auch die Baudirektorin den Schwarzen Peter schnell weiter. An ihren Kollegen Beat Feurer, seines Zeichens zuständig für Soziales und Sicherheit in der Stadt Biel. Dem SVP-Vertreter würde es seine Klientel weniger übelnehmen, dies das Kalkül der zaudernden Gemeinderätin, wenn er den unangenehmen Entmarkierungs-Befehl erteilen würde.

So kam es, dass Beat Feurer tatsächlich in den sauren Apfel biss und den Räumungsbefehl erteilte. – Dies die Vorgeschichte, die man sich in Biel zur ersten Entmarkierungsaktion erzählt. Sie erfolgte, wie erwähnt, im Morgengrauen – vier Tage, nachdem couragierte Bürgerinnen und Bürger mit der Plakatierung der Bäume erstmals auf den drohenden Kahlschlag aufmerksam gemacht hatten.

Zwei Wochen später schlugen die Behörden schon nach drei Tagen zu. Bereits während der Markierungsaktion hatte sich auch einer der obgenannten Stadträte in Szene gesetzt und den MarkiererInnen mit einer Anzeige gedroht.

Diese blieb dann allerdings aus. Wohlweislich. Denn unklar bleibt, gegen welchen Gesetzesverstoss Anzeige hätte erhoben werden können: Es gibt in der Stadt Biel keine Bestimmung, die das Markieren von bedrohten Bäumen verbietet!

Im Gegenteil, man muss sich fragen, ob die behördliche Räumungskationen überhaupt legal gewesen sind.

Wer nämlich das Bieler Polizeireglement konsultiert, findet nirgends eine entsprechende Rechtsgrundlage. Artikel 18 des Reglements besagt lediglich, dass das Anbringen von «Reklame» im öffentlichen Raum bewilligungspflichtig sei.

Da es sich in diesem Fall aber ganz klar weder um kommerzielle noch um Abstimmungs- oder Wahlpropaganda handelt, sondern um die Markierung gefährdeter Bäume, liegt der Schluss nahe: Es gab keine Rechtsgrundlage für die Entfernung der Plakate und Absperrbänder von den bedrohten Bäumen!

Das Vorgehen des Gemeinderats gegen die Informationskampagne von Bürgerinnen und Bürgern ist umso stossender, da die Markierung der Bäume, die für den Westast abgeholzt werden müssten, eigentlich Behördensache gewesen wäre.

An Zynismus kaum mehr zu überbieten ist zudem die Tatsache, dass am Tag der zweiten Räumungsaktion Stadtpräsident Fehr & Co eine Image-Kampagne für Biel lancierte, in der Offenheit, Toleranz und Flexibilität zelebriert werden.


 

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